Trauma und Komfortzone – warum Veränderung oft Angst macht

„Du musst raus aus deiner Komfortzone.“ 
Wenn du dich mit Persönlichkeitsentwicklung beschäftigst oder etwas Neues lernen willst, hast du diesen Satz sicher schon öfter gehört. Auf mich wirkte er lange wie ein Schlag ins Gesicht. Eigentlich sollte er mich ermutigen, doch mein inneres System reagierte jedes Mal mit Abwehr.

Ich verstand lange nicht, warum. Bis ich lernte, wie stark traumatische Erfahrungen das Nervensystem prägen und wie sehr sie beeinflussen, was wir als „Komfortzone“ wahrnehmen. Erst dadurch wurde mir klar: Es geht nicht um Faulheit oder mangelnden Mut. Es geht um Schutz.

Mutig war ich schon immer. Häufig bin ich dabei aber über meine Grenzen getreten, habe mich in Gefahr begeben, nicht auf meinen Körper und schon gar nicht auf meine Beziehungen geachtet. Meine Komfortzone war die Unsicherheit, die kannte ich. Sichere Beziehungen, sichere Situationen haben mich geängstigt, da bin ich schnell davongerannt. – Sylvia Tornau

In diesem Beitrag erfährst du, warum die Komfortzone bei einem traumatisierten Nervensystem anders funktioniert und warum der gut gemeinte Ratschlag, sie zu verlassen, oft zu früh kommt. Ich zeige dir, wie das klassische Komfortzonenmodell bei Trauma erweitert werden muss, was eine paradoxe Komfortzone ist und wie du deine Komfortzone auf eine gesunde, traumasensible Weise wirklich erweitern kannst.

Was ist die Komfortzone und wie wirkt sie in uns?

Die Komfortzone ist ein psychologisches Konzept, das einen Zustand beschreibt, in dem sich eine Person wohl und sicher fühlt, ohne dass sie durch Angst oder Stress herausgefordert wird. In dieser Zone fühlt sich die Person vertraut und beherrscht die Situation, da sie keine neuen, unerwarteten oder bedrohlichen Erfahrungen machen muss. Die eigene Komfortzone zu erkennen, kann durch die Beobachtung bestimmter Verhaltensweisen und Reaktionen auf verschiedene Situationen geschehen. Das Erkennen deiner Komfortzone ist der erste Schritt, um bewusst Entscheidungen zu treffen, die dich aus dieser Zone herausführen und dein persönliches Wachstum fördern können.

Hauptmerkmale der Komfortzone

  • Routine und Vertrautheit: Tätigkeiten und Situationen innerhalb der Komfortzone sind bekannt und vertraut, sodass keine großen Anstrengungen oder Anpassungen erforderlich sind.
  • Sicherheit und Stabilität: Die Person fühlt sich sicher und wenig gestresst, da sie weiß, was sie erwartet und was von ihr erwartet wird.
    Wenig Risiko und Ungewissheit: Innerhalb der Komfortzone gibt es wenig oder keine Risiken, da alles vorhersehbar und kontrollierbar ist.

So erkennst du, ob du dich in deiner Komfortzone befindest

  • Routine und Monotonie: Du führst viele Aufgaben und Aktivitäten nach denselben Mustern aus, ohne viel darüber nachzudenken. Dein Alltag besteht aus festen Abläufen, die dir vertraut sind.
  • Geringe emotionale Reaktionen: Du erlebst selten intensive Gefühle wie Aufregung, Angst oder Unsicherheit. Deine Emotionen sind meist stabil und vorhersehbar.
  • Vermeidung von Risiko und Unsicherheit: Du vermeidest bewusst Situationen, die mit Unsicherheiten oder Risiken verbunden sind. Du tendierst dazu, auf Nummer sicher zu gehen und bekannte Pfade zu wählen.
  • Wenig Lernen und Wachstum: Du merkst, dass du selten neue Fähigkeiten erlernst oder dich weiterentwickelst. Deine persönliche und berufliche Entwicklung stagniert.
  • Komfortable soziale Interaktionen: Du umgibst dich meistens mit denselben Menschen, bei denen du dich wohlfühlst, und vermeidest neue soziale Kontakte oder Netzwerke.
  • Wenig Herausforderungen: Du nimmst selten Herausforderungen an, die dich wirklich an deine Grenzen bringen. Aufgaben und Projekte, die du angehst, sind meistens leicht zu bewältigen.
  • Angst vor Veränderungen: Der Gedanke an Veränderungen oder neue Erfahrungen löst bei dir Unbehagen oder Angst aus. Du bevorzugst den Status quo.

Hilfreiche Fragen zur Identifizierung deiner Komfortzone

  • Welche Aktivitäten und Situationen sind mir so vertraut, dass ich sie ohne große Anstrengung oder Stress bewältige?
  • Welche Herausforderungen vermeide ich, weil sie mir Angst machen oder unsicher erscheinen?
  • In welchen Bereichen meines Lebens fühle ich mich besonders sicher und wenig gefordert?

Wie Trauma unsere Komfortzone prägt – aus Sicht des Nervensystems

Die Komfortzone eines traumatisierten Menschen kann anders sein als die von nichttraumatisierten Menschen. Nicht verarbeitete oder unbewusste Traumata können das Verhalten, die Wahrnehmungen und die emotionalen Reaktionen einer Person stark beeinflussen, was wiederum ihre Komfortzone verändert und in der Regel einengt. Aufgrund der Reaktionen des Nervensystems auf Traumata ist die Komfortzone stärker durch Sicherheitsbedürfnisse und Vermeidungsverhalten geprägt. Es ist wichtig zu verstehen, dass diese Anpassungen Schutzmechanismen sind, die dazu dienen, das emotionale und körperliche Wohlbefinden zu erhalten.

Hauptmerkmale der Komfortzone traumatisierter Menschen

  • Erhöhte Sicherheitsbedürfnisse: Ein starkes Bedürfnis nach Sicherheit und Kontrolle verengt die Komfortzone und beschränkt sich mehr auf vertraute und vorhersehbare Umgebungen und Situationen.
  • Vermeidung von Auslösern: Es werden Situationen vermieden, die Erinnerungen an das Trauma auslösen könnten. Diese Vermeidung kann die Komfortzone weiter einschränken, da potenziell triggernde Aktivitäten oder Orte vermieden werden.
  • Hohe Wachsamkeit: Eine erhöhte Wachsamkeit (Hypervigilanz) bedeutet, ständig auf der Hut zu sein und nach potenziellen Gefahren Ausschau zu halten. Orte und Situationen, die als sicher und kontrollierbar empfunden werden, gehören zur Komfortzone.
  • Veränderte soziale Interaktionen: Das Vertrauen in andere Menschen ist beeinträchtigt, weshalb möglicherweise unvertraute sozialen Interaktionen gemieden und der Kontakt mit vertrauten Personen bevorzugt wird.
  • Emotionale Regulation: Schwierigkeiten, die eigenen Emotionen zu regulieren, deshalb Vermeidung von Situationen, die starke emotionale Reaktionen hervorrufen könnten. Die Komfortzone bleibt auf emotional stabilere Umgebungen beschränkt.
  • Erhöhtes Bedürfnis nach Routine: Routine und Vorhersehbarkeit bieten ein Gefühl von Kontrolle und Sicherheit. Daher könnte die Komfortzone stark strukturierte und vorhersehbare Tagesabläufe umfassen.

Die paradoxe Komfortzone – wenn Unsicherheit vertraut ist

Bei Menschen wie mir #ichbinjededrittefrau, die schon früh Traumata erlebt haben und dies über einen längeren Zeitraum hinweg, kann sich allerdings auch eine paradoxe Komfortzone entwickeln. Die paradoxe Komfortzone beinhaltet, sich im Zustand von Unsicherheit und Angst sicherer zu fühlen und Sicherheit oder die positive Zuwendung von anderen als beunruhigend und verstörend zu empfinden.

Psychologische und neurobiologische Faktoren der paradoxen Komfortzone

Gewöhnung an den Zustand der Hypervigilanz

  • Ständige Wachsamkeit: Permanent auf Gefahren achten. Diese ständige Wachsamkeit kann zur Normalität werden.
  • Gefühl der Kontrolle: ein Zustand permanenter Alarmbereitschaft gibt das Gefühl von Kontrolle und damit Sicherheit. Dahinter steckt der Glaube, auf Gefahren vorbereitet zu sein.

Trauma als Normalzustand

  • Vertraute Unsicherheit: Dieser Zustand erscheint vertraut und normal. Sicherheit und Ruhe können hingegen fremd und bedrohlich wirken.
  • Angst vor dem Unbekannten: Sicherheit und Ruhe können unbekannte Zustände sein, die Angst auslösen, da die betroffene Person nicht weiß, wie sie in diesen Zuständen reagieren soll.

Verzerrte Sicherheitswahrnehmung

  • Erwartung von Gefahr: ständig damit rechnen, dass jederzeit etwas Schlimmes passieren könnte. Ein ruhiger und sicherer Zustand macht misstrauisch und ist geprägt vom Warten auf nächste Bedrohung.
  • Unvorbereitetheit: Sicherheit erzeugt Angst erzeugt. Dahinter steckt die Befürchtung, nicht in der Lage zu sein, auf plötzliche Gefahren reagieren zu können.

Neurobiologische Auswirkungen

  • Dauerhafte Aktivierung des Sympathikus: Gewöhnung an einen hohen Grad physiologischer Erregung.
  • Hormonelle Anpassungen: Langfristige Stresshormonausschüttung kann das Nervensystem so beeinflussen, dass Ruhe und Entspannung ungewohnt und unangenehm erscheinen.

Kognitive Verzerrungen

  • Negatives Selbstbild: Ein negatives Selbstbild suggeriert, dass Sicherheit und Ruhe nicht verdient sind oder dass nur in einem Zustand der Unsicherheit überleben möglich ist.
  • Erwartungen: Sicherheit ist trügerisch und eine vermeintliche Ruhephase nur die Ruhe vor dem Sturm.

Was dein Nervensystem mit deiner Komfortzone zu tun hat

Der Zusammenhang zwischen der Einengung der Komfortzone und dem Nervensystem ist komplex und eng mit der Art und Weise verbunden, wie unser Gehirn und unser Körper auf Stress und traumatische Erlebnisse reagieren. Im Folgenden erläutere ich dir einige wichtige Aspekte:

Stressreaktion und das autonome Nervensystem

Das autonome Nervensystem (ANS) besteht aus zwei Hauptteilen: dem Sympathikus (der „Kampf-oder-Flucht“-Reaktion) und dem Parasympathikus (der „Ruhe-und-Verdauungs“-Reaktion). Bei bedrohlichen Erlebnissen wird der Sympathikus aktiviert, was zu einer starken Stressreaktion führt. Diese Reaktion bereitet den Körper auf schnelle Handlungen vor, indem sie Adrenalin und andere Stresshormone freisetzt. Ist die Bedrohung vorbei, beruhigt sich der Sympathikus wieder und der Parasympathikus wird aktiv.

Bei Menschen, die (mehrfach) Traumata erlebt haben, kann das ANS dauerhaft in einem Zustand erhöhter Wachsamkeit oder Alarmbereitschaft verbleiben. Dies wird oft als Hypervigilanz bezeichnet. Das Gehirn und der Körper können in diesem Zustand auch auf harmlose Reize überreagieren, als wären sie potenzielle Bedrohungen.

Vermeidung und Komfortzone

Um die ständige Aktivierung des Sympathikus und die damit verbundenen unangenehmen Gefühle zu vermeiden, entwickeln traumatisierte Menschen oft Vermeidungsverhalten. Sie vermeiden Situationen, die ihre Stressreaktion auslösen könnten. Diese Vermeidungsstrategien führen zu einer Einengung der Komfortzone, da immer mehr Situationen und Orte als potenziell bedrohlich empfunden und gemieden werden müssen.

Neurobiologische Veränderungen

Traumatische Erfahrungen können zu dauerhaften Veränderungen in Hirnstrukturen führen, die an der Verarbeitung von Angst und Stress beteiligt sind, wie z.B. die Amygdala, der Hippocampus und der präfrontale Kortex. Diese Veränderungen können die Fähigkeit beeinträchtigen, angemessen auf Stress zu reagieren und aus stressreichen Situationen zu lernen, was die Erweiterung der Komfortzone erschwert.

Regulation durch den Parasympathikus

Der Parasympathikus spielt eine Schlüsselrolle bei der Beruhigung des Körpers nach einer Stressreaktion. Bei traumatisierten Menschen kann die Fähigkeit des Parasympathikus, den Körper zu beruhigen, beeinträchtigt sein.

Techniken wie tiefes Atmen, Meditation und Yoga können helfen, den Parasympathikus zu aktivieren und so die Fähigkeit zur Selbstberuhigung zu verbessern.
Die Einengung der Komfortzone bei traumatisierten Menschen ist also eine direkte Folge der neurobiologischen und physiologischen Reaktionen auf Stress und Trauma. Diese Techniken, die das Nervensystem beruhigen und regulieren, können dabei ebenso helfen, wie die Zusammenarbeit mit Therapeutinnen oder Coaches, um deine Komfortzone schrittweise wieder zu erweitern und neue Bewältigungsstrategien zu entwickeln.

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Das klassische Komfortzonenmodell – und warum es oft nicht reicht

Das Komfortzonenmodell entstammt ursprünglich der Sozialwissenschaft, das sich mit den Bedingungen des Lernens beschäftigt und wurde für die Persönlichkeitsentwicklung adaptiert. Dieses Konzept beschreibt, wie Menschen auf Herausforderungen und Veränderungen reagieren. Es unterteilt das Spektrum menschlichen Verhaltens in verschiedene Zonen, die unterschiedliche Grade von Komfort und Wachstum repräsentieren.

Grafik des klassischen Komfortzonenmodells mit drei Zonen: Komfortzone im Zentrum, Lernzone in der Mitte und Panikzone als äußerer Bereich. Das Modell zeigt, wie Menschen sich meist in der Komfortzone bewegen, sich in der Lernzone entwickeln und in der Panikzone überfordert sind. Es bildet die Grundlage vieler entwicklungspsychologischer und pädagogischer Ansätze, berücksichtigt jedoch keine traumaspezifischen Dynamiken.

Im Folgenden erläutere ich dir die Hauptkomponenten des Komfortzonenmodells.

Komfortzone

Beschreibung: Das ist der Bereich, in dem du dich als Person sicher und wohlfühlst. Aktivitäten und Situationen in dieser Zone sind dir vertraut und bereiten wenig bis keinen Stress.
Merkmale:

  • Routine und Vorhersehbarkeit
  • Geringes Risiko und geringe Unsicherheit
  • Wenig bis keine Angst oder Anspannung
  • Stabilität und Kontrolle

Lernzone (Wachstumszone)

Beschreibung: Diese Zone ist gekennzeichnet durch moderate Herausforderungen, die neue Fähigkeiten und Wissen von dir erfordern. Hier findet persönliches Wachstum und Lernen statt.
Merkmale:

  • Moderate Unsicherheit und Risiko
  • Gelegenheiten zum Lernen und zur Weiterentwicklung
  • Erhöhte Motivation und Engagement
  • Ein gewisses Maß an Stress oder Anspannung, das bewältigbar ist

Panikzone (Angstzone)

Beschreibung: Dies ist der Bereich, der weit außerhalb der Komfortzone liegt und durch extreme Unsicherheit und hohe Risiken gekennzeichnet ist. In dieser Zone fühlst du dich überwältigt und kannst nicht effektiv lernen oder wachsen.
Merkmale:

  • Hohe Angst und Stress
  • Gefühl von Überforderung
  • Mangelnde Kontrolle und Sicherheit
  • Geringe bis keine Produktivität oder effektives Lernen

Wann kommt das Komfortzonenmodell zur Anwendung?

Selbstbewusstsein: Du willst deine eigenen Reaktionen auf neue Situationen verstehen und erkennen, wo deine aktuellen Grenzen liegen.
Persönliches Wachstum: Um dein persönliches Wachstum zu fördern, willst du dich neuen Herausforderungen stellen.
Stressbewältigung: Du willst gleichzeitig lernen und deine innere Balance finden, indem du vermeidest, in die Panikzone zu geraten.

Praktische Tipps

Schrittweise Erweiterung: Beginne mit kleinen, überschaubaren Herausforderungen, um deine Komfortzone allmählich zu erweitern.
Selbstreflexion: Reflektiere regelmäßig über deine Erfahrungen und Fortschritte, um deine Lern- und Wachstumsprozesse zu verstehen.
Unterstützung suchen: Nutze soziale Unterstützung, sei es durch Freunde, Familie oder Mentoren, um dich sicherer zu fühlen, wenn du deine Komfortzone verlässt.

Komfortzonen bei Trauma: Ein zusätzlicher innerer Raum

Traumatisierte Menschen erleben eine komplexere Aufteilung ihrer Reaktionszonen, die dann vier Zonen umfasst: Komfortzone, Angstzone, Lernzone und Panikzone. In der hinzugekommenen Zone, der Angstzone, zeigt sich eine Angst, die nicht so überwältigend ist, wie die Panik der vierten, aber dennoch sehr unangenehm. Hier liegen potenzielle Auslöser von Traumagedanken oder Erinnerungen, was die Vermeidungstendenzen verstärken kann.
In dieser Phase ist es wichtig, dich zuerst mit den auftretenden Ängsten zu befassen, bevor du den Schritt in die Lernphase weitergehst. Beachtest du diese Ängste nicht, ignorierst sie und gehst weiter in die Lernzone, kann es passieren, dass du direkt von der Angstzone in die Panikzone katapultiert wirst.

Darstellung eines erweiterten Komfortzonenmodells mit vier Zonen im traumasensiblen Kontext: Komfortzone im Zentrum, Angstzone, Zone der Überlebensstrategien und Panikzone außen. Die Grafik verdeutlicht, dass zwischen gewohnter Sicherheit und Entwicklung eine Zone liegt, in der Schutzmechanismen aktiv sind – etwa Kontrolle, Rückzug oder Überanpassung. Sie macht sichtbar, warum Veränderung bei traumatisierten Menschen oft mehr Sicherheit und behutsame Begleitung braucht.

Anwendung des Modells für traumatisierte Menschen

Erkennen der Angstzone: Es kann für dich wichtig sein, deine Angstzone klar zu identifizieren, da du dich in dieser Zone häufig aufhältst und es wichtig ist, sie von der Lernzone zu unterscheiden.
Strategien zur Bewältigung: Entwickle Strategien, um in der Angstzone zu bleiben, ohne in die Panikzone zu geraten, wie z.B. Achtsamkeit, Atemübungen. Am besten gelingt dies mit sozialer oder fachlicher Unterstützung.
Schrittweise Annäherung: Bewege dich schrittweise von der Komfortzone durch die Angstzone in die Lernzone und überwache dabei deine Fortschritte kontinuierlich und passe sie an.
Fachliche Unterstützung: Therapie oder Coaching können dir helfen und dich bei den Übergängen zwischen den Zonen begleiten. Dir werden Werkzeuge zur Verfügung gestellt, um besser mit der Angst- und Panikzone umzugehen.

Das erweiterte Modell zeigt: Für Menschen mit Trauma reicht das klassische Komfortzonenmodell nicht aus, eine zusätzliche Zone, die Zone der Überlebensstrategien, wird sichtbar.

Während die erweiterte Komfortzone zeigt, dass bei Trauma eine zusätzliche Zone entsteht, beschreibt die paradoxe Komfortzone, dass sich selbst belastende Zustände sicher anfühlen können. Beide Perspektiven ergänzen sich und machen sichtbar, wie sehr unser Nervensystem Realität verzerren kann, um Stabilität zu erhalten.

Wenn die Komfortzone sich gefährlich anfühlt – die paradoxe Zone erklärt

Das Komfortzonenmodell bei einer paradoxen Komfortzone, in der traumatisierte Menschen sich in Unsicherheit und Angst sicher fühlen und Sicherheit sie ängstigt, würde anders aussehen als das traditionelle Modell. Hier ist eine Darstellung dieses angepassten Modells:

Grafik des Modells zur paradoxen Komfortzone mit vier Zonen: Komfortzone, Lernzone, paradoxe Komfortzone (= Sicherheitszone) und Panikzone. Das Modell zeigt, dass sich traumatisierte Menschen manchmal in Zuständen sicher fühlen, die objektiv belastend sind – etwa in innerer Anspannung, emotionalem Rückzug oder hoher Kontrolle. Diese paradoxe Zone liegt zwischen echter Lernzone und Panikzone und erklärt, warum klassische Wachstumsmodelle bei Trauma oft zu kurz greifen.
Paradoxe Komfortzone

Beschreibung: Der Bereich, in dem sich die Person trotz Unsicherheit und Angst am wohlsten und sichersten fühlt. Dies ist der Zustand ständiger Wachsamkeit und erhöhter Erregung.
Merkmale:

  • Ständige Hypervigilanz
  • Gewohnheit und Vertrautheit mit Unsicherheit und Stress
  • Gefühl der Kontrolle durch Wachsamkeit
  • Unruhe in ruhigen und sicheren Umgebungen

Lernzone (angepasst)

Beschreibung: Der Bereich, in dem die Person sich neuen Erfahrungen und Herausforderungen stellt, die außerhalb der paradoxen Komfortzone liegen, aber nicht überwältigend sind. Dies ist ein Bereich moderater Unsicherheit, der zu Wachstum und Anpassung führt.
Merkmale:

  • Moderate Unsicherheit und neue Erfahrungen
  • Gelegenheiten zum Lernen und zur Anpassung
  • Herausforderung ohne Überwältigung
  • Allmähliche Gewöhnung an Sicherheit

Sicherheitszone (neu)

Beschreibung: Ein neuer Bereich, der in dieses Modell eingeführt wird, um die Phase zu beschreiben, in der die Person sich allmählich an Sicherheit und Ruhe gewöhnt. Diese Zone ist anfangs unangenehm und beängstigend, wird aber mit der Zeit vertrauter und angenehmer.
Merkmale:

  • Anfangs unangenehm und fremd
  • Bedarf an Gewöhnung und Anpassung
  • Allmähliche Reduktion von Hypervigilanz
  • Aufbau von Vertrauen und Ruhe

Panikzone (unverändert)

Beschreibung: Der Bereich, in dem die Angst und Unsicherheit so intensiv sind, dass die Person überwältigt wird und keine effektive Bewältigung oder Lernen stattfinden kann. Diese Zone ist retraumatisierend und sollte vermieden werden.
Merkmale:

  • Hohe Angst und Panik
  • Gefühl der Überforderung und Hilflosigkeit
  • Mangel an Kontrolle und Sicherheit
  • Geringe bis keine Produktivität oder Lernen

Anwendung des Modells für traumatisierte Menschen

Erkennen der paradoxen Komfortzone: Verstehe, dass du dich in einem Zustand der erhöhten Wachsamkeit sicher fühlst und dies deine gewohnte Reaktion auf Stress ist.
Sanfte Übergänge zur Lernzone: Achte bei neuen Erfahrungen auf kleine Schritte und darauf, wo bei dir die Grenze zwischen Angst und Panik verläuft. So erweiterst du deine Komfortzone, ohne von Eindrücken und Emotionen überwältigt zu werden.
Allmähliche Annäherung an die Sicherheitszone: Entwickle Strategien, um dich langsam an sichere und ruhige Umgebungen zu gewöhnen.
Vermeidung der Panikzone: Vermeide bewusst Situationen, die dich überwältigen und retraumatisieren könnten.

Praktische Strategien

Kleine Schritte: Beginne mit kleinen, überschaubaren Veränderungen, um dir die Anpassung zu erleichtern.
Unterstützung und Sicherheit: Suche dir kontinuierliche Unterstützung durch Therapeutinnen, Coaches, Freunde oder Familie, um dein Vertrauen in die neuen Erfahrungen zu stärken.
Achtsamkeitsübungen: Nutze Techniken wie tiefe Bauchatmung, Fünf-Minuten-Meditation und progressive Muskelentspannung, damit sich dein Nervensystem beruhigt und du dich an Ruhe gewöhnst.
Positive Verstärkung: Belohne und feiere kleine Erfolge, um deine Motivation und dein Vertrauen in deine Fähigkeit, Herausforderungen zu bewältigen, zu stärken.

Was mir geholfen hat und was ich dir mitgeben möchte

Aus eigener Erfahrung kann ich dir sagen, dass, egal welches der Komfortzonenmodelle für dich das richtige ist, eine angestrebte Veränderung am ehesten gelingt, wenn du dich dabei begleiten lässt. Das können Freund:innen oder Familienmitglieder sein, die dich ermutigen und mit dir gemeinsam auf deine Situation schauen. Sie können dir helfen, die kleinen Schritte zu finden, die für deine angestrebte Veränderung nötig und für dich gangbar sind.

Für Menschen mit traumatischen Erfahrungen und vor allem in Bezug auf das paradoxe Komfortzonenmodell empfehle ich unbedingt fachliche Begleitung in einem geschützten Rahmen. Achtsame und nachhaltige Veränderung, bei der du deine Bedürfnisse, Emotionen und Körperempfindungen berücksichtigst, egal unter welchen Voraussetzungen, geht nicht schnell. Mit fachlicher Begleitung geht es definitiv schneller als allein.

Solltest du dich für eine Zusammenarbeit mit mir entscheiden, achte ich darauf, dass du während des Prozesses, liebevoll und wohlwollend mit dir umgehst und dass die Veränderung nicht nur in deinem Kopf stattfindet, sondern auch in deinem Nervensystem ankommt.

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About the Author: Sylvia Tornau

„Aufstehen und in Würde strahlen“ ist mein persönliches und berufliches Leitbild. Ich bin systemische Therapeutin und Trauma-Coachin, aber auch eine Frau mit eigener Traumageschichte. Mein Blog entstand aus meiner Sehnsucht, zu schreiben, und aus dem Wunsch, sichtbar zu machen, wie wir mit unseren Verletzungen leben und wachsen können. Ich schreibe, um Verbindung zu schaffen, zu mir selbst und zu dir. Ich glaube aus eigener Erfahrung daran, dass es sich lohnt, wenig hilfreiche Muster mit einer großen Portion Selbstfürsorge in Lebendigkeit und Lebensfreude zu verwandeln, weil ich davon überzeugt bin, dass Frieden in uns auch Frieden um uns schafft.

5 Kommentare

  1. Sylvia Tornau 16. November 2025 um 21:52 Uhr

    Liebe Julia, das freut mich sehr, dass du für dich etwas mitnehmen kannst. Ich habe lange mit dem Thema gehadert, weil ich nicht verstand, dass meine Sicherheitszone nichts mit meiner Komfortzone zu tun hat, und ich damit erst einmal ganz andere Aufgaben zu bewältigen hatte. Liebe Grüße Sylvia

  2. Julia 16. November 2025 um 09:12 Uhr

    Danke für den schönen Artikel. Genau das habe ich gesucht. Ich merke gerade, dass ich mehr Angst habe, meine Komfortzone zu verlassen, als „normale“ Menschen. Jetzt weiß ich, warum. Was du beschreibst, passt perfekt.

  3. Uli Pauer 19. Juni 2024 um 12:38 Uhr

    Super Artikel, der sehr informativ und hilfreich ist und der weit über das übliche und gebetsmühlenhafte „da musst du halt mal deine Komfortzone verlassen“ hinausgeht.

  4. Sylvia Tornau 16. Juni 2024 um 19:11 Uhr

    Danke Birgit für deinen Kommentar. Es freut mich sehr, wenn es AHA-Erlebnisse gab. Herzliche Grüße Sylvia

  5. Birgit Oppermann 16. Juni 2024 um 13:07 Uhr

    Liebe Sylvia,
    was für ein spannender und hilfreicher Artikel, der mir eine ganze Menge Aha-Erlebnisse beschert hat.
    Vielen Dank dafür!
    Herzliche Grüße
    Birgit

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Ich bin Sylvia, systemische Therapeutin, Trauma-Coach und Bloggerin. Die menschliche Psyche und die Frage „Warum ticken wir, wie wir ticken“ treibt mich schon seit meiner Jugend an. Heute unterstütze ich Frauen dabei, alte Prägungen loszulassen, ihre Emotionen zu regulieren und im eigenen Leben zu Hause zu sein.

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