Co-Abhängigkeit

Im Text wird im Sinne der besseren Lesbarkeit nur die weibliche Form verwendet, die männliche Form wird selbstverständlich immer mitgedacht.

Was ist Co-Abhängigkeit
Der Begriff Co-Abhängigkeit ist abgeleitet von -Co-Dependents- und wird häufig undiffernziert benutzt. In erster Linie sind Personen gemeint, die ihr gesamtes Selbstwertgefühl von den Reaktionen ihrer Umwelt abhängig machen. Ihr eigenes Leben scheint ihnen unbedeutend und langweilig. Das Gefühl der Bedeutung erfahren sie in den Reaktionen ihrer Umwelt. Sie sind süchtig nach Anerkennung und opfern dafür alles, was bis zur völligen Selbstverleugnung gehen kann. Nicht selten ketten Co-Abhängige ihr eigenes Schicksal an das einer Anderen, möglichst einer -Verliererin-, mit der sie dann mit -wehenden Fahnen- untergehen können. Häufig, aber eigentlich fälschlich, wird es verwendet, um die Angehörigen von Süchtigen zu bezeichnen. In Fachkreisen wird von -Angehörigen von Suchtkranken- gesprochen. Ferner wird der Begriff in Verbindung mit Beziehungssucht und Sexsucht verwendet. Bei allen drei Gruppen gibt es ßberschneidungen. Es sei darauf hingewiesen, das Co-Abhängige weder in Beziehung leben müssen, noch müssen ihre Angehörigen Suchtprobleme aufweisen. (Quelle: Wikipeda)

Alkoholmissbrauch und Alkoholabhängigkeit (Im Text beziehe ich mich vor allem auf die Alkoholkrankheit, da zur Co-Abhängigkeit in Bezug auf andere Süchte nur wenige Informationen existieren.) finden nicht in einem leeren Raum statt, sondern in einem sozialen Umfeld.

 

Der Verlauf der Alkoholkrankheit entwickelt sich in einer engen Wechselwirkung zwischen der Abhängigen und ihren Bezugspersonen – Familie, Arbeitskolleginnen, Vorgesetzte. Dabei entwickeln sowohl die Abhängige als auch die Bezugspersonen, die eigentlich helfen wollen, bestimmtes Rollenverhalten, mit gravierenden Auswirkungen auf die sozialen Beziehungen. Die Bezugspersonen verhalten sich oftmals -falsch-, da sie unbewusst den Weg in die Abhängigkeit stützen, wodurch sie zu Suchtunterstützerinnen werden. Vor allem Familienangehörige laufen Gefahr, über die Beschäftigung mit der Sucht der Angehörigen, sich von der eigenen Persönlichkeit zu entfremden. Oft wird im Verlauf der Jahre ein bestimmtes Rollenverhalten entwickelt, das gravierende Auswirkungen auf die sozialen Beziehungen hat. Durch die Konzentration der Lebensenergien auf die Süchtige, auf deren Bedürfnisse etc., verlieren die Bezugspersonen häufig den Bezug zu den eigenen Bedürfnissen, sie übernehmen zunehmend die Verantwortung für die Süchtige und vernachlässigen die Eigenverantwortung in Bezug auf die eigene Gesundheit, Psyche, Leistungsfähigkeit, sozialen Kontakte. Die Angehörigen werden zu Krisen- und Problemmanagerinnen für die Süchtige, sie versuchen deren Probleme zu lösen, ihr Verhalten zu verstehen, zu manipulieren, zu entschuldigen, zu decken, vielleicht auch vor der Umwelt zu verbergen. In der Regel scheitern diese Versuche, die Abhängige von ihrer Sucht abzuhalten, zu befreien, zu heilen. Was bleibt sind Schuldgefühle, Enttäuschung, Wut, Verzweiflung, Hass, Frust, Trauer, Hoffnungslosigkeit, Isolation – alles Symptome, die Fachleute als Co-Abhängigkeit beschreiben.

Das Verhalten der Co-Abhängigen ergänzt sich in fataler Weise mit dem Verhalten der Abhängigen. Solange der Abhängigen die Verantwortung für ihr Verhalten, für die Auswirkungen ihrer Sucht abgenommen wird, so lange werden alle Beteiligten sich im Suchtkreis drehen.

Das heißt, die Angehörigen müssen sich früher oder später mit dem Thema Co-Abhängigkeit beschäftigen, sonst können sie ihr Leben nicht mehr selbst bestimmen. Auch Angehörige müssen über ihren Schatten springen und Hilfe in Anspruch nehmen, Unterstützung beim -Loslassen- suchen. Das Loslassen des Problems ist ein wichtiger Schritt, aus dem destruktiven Kreislauf von Abhängigkeit und Co-Abhängigkeit.

Wie entsteht sie?
Die Ursachen der Co-Abhängigkeit sind wie bei den meisten psychischen Erkrankungen schwer auszumachen. Es spricht aber alles für eine Mischung aus soziologischen Ursachen, kognitiven Ursachen und genetischen Dispositionen. Meist kommen Co-Abhängige aus Dysfunktionalen Familien. Das muss aber nicht so sein. Allen gemein ist aber mangelndes Selbstwertgefühl und mangeln.sdes Selbstvertrauen.

Viele der Symptome und Verhaltensweisen von Co-Abhängigen sind auch bei gesunden Menschen anzutreffen. Phatologisch ist es dann, wenn die Lebensqualität beeinträchtigt ist, das Handeln als zwanghaft erlebt wird und letztlich die physische Gesundheit bedroht ist.

Die Entwicklung vom Impuls des -Helfen wollen- hin zur Co-Abhängigkeit ist schwer zu erkennen. Häufig wird die Richtung der Unterstützung von Außenstehenden anerkannt, akzeptiert: man kann die Abhängige doch nicht allein lassen oder gar bloßstellen, ihr muss geholfen werden. Oftmals ist das eigene gesellschaftliche Ansehen gekoppelt an das Ansehen der Partnerinnen, es ist schwer, den eigenen gesellschaftlichen Stellenwert zu kennen, trotz Problemen zu behaupten und einen offenen Umgang mit Problemen zu finden. Sei es die -Spaßgesellschaft-, sei es die -Leistungsgesellschaft-, Probleme haben hier keinen Platz, wer Probleme hat, gehört – so oder so – nicht mehr dazu. Diese gessellschaftliche Haltung trägt meiner Meinung nach sehr dazu bei, die Co-Abhängigkeit wie einen Virus wachsen zu lassen, denn es gehört sehr viel Selbstbewusstsein dazu, zu Unstimmigkeiten im eigenen Leben zu stehen. Selbstbewusstsein ist hier gemeint im Sinne von: ich bin mir meiner Selbst bewusst, ich weiß wer ich bin, ich kenne meine Stärken und Schwächen und mir muss niemand etwas vormachen, aber auch ich muss niemandem etwas vormachen. Diese innere Haltung ist den wenigsten Menschen in die Wiege gelegt, dies anzuerkennen, das Problem anzuerkennen und mit Unterstützung für sich selbst zu bearbeiten ist ein wichtiger Schritt aus dem Dilemma.

Wenn die Co-Abhängige aber weiter leugnet und die eigenen Probleme nicht wahrhaben möchte, bleiben die Mechanismen intakt, die die schädigende Verbindung auf Gegenseitigkeit am Leben erhalten. Nicht selten stirbt die Co-Abhängige vor der Abhängigen an ßberforderung, an erworbenen psychosomatischen Erkrankungen, an Resignation – denn auch Co-Abhängigkeit steigt in der Intensität an und führt am Ende zum Tod, ebenso wie die Abhängigkeit.

Welche Phasen gibt es?
Es gibt fünf Phasen der Co-Abhängigkeit:

Anfangsphase

  • Die Angehörigen verleugnen ebenso wie die Betroffene das Suchtproblem.
  • Erste Ahnungen, dass die Angehörige zuviel trinkt.
  • Ermahnungen weniger zu trinken.
  • ßbernahme von Verantwortung bei Schwierigkeiten durch Alkohol.
  • Erste Entschuldigungen und Ausreden für die trinkende Angehörige.
  • Gespräche über den Alkoholkonsum werden schwieriger.

Kritische Phase
Das Problem ist so offensichtlich, dass es nicht mehr unterdrückt werden kann. Die Angehörigen fordern von der Alkoholkranken, dass sie mit dem Trinken aufhört. Die Betroffene kann dieser Forderung nicht nachkommen. Es kommt zu Vorwürfen, die die Abhängige weiter in die Sucht treiben.

  • Zweifel an der eigenen Beobachtungsgabe, Unsicherheit bei der Situationsbeurteilung.
  • Verstärkte Versuche, der Betroffenen zu -helfen-.
  • Co-Alkoholisches Verhalten z.B. durch kontrollieren etc.

Akute Phase
Die Alkoholkrankheit lässt sich vor der Umwelt nicht mehr verheimlichen. Es werden nur noch kurzfristige Ziele gesetzt, z.B. -Trinke wenigstens nicht, wenn heute Besuch kommt- etc. Die Familie treibt sich zunehmend selbst in die soziale Isolation. Drohungen ohne Konsequenzen zu ziehen.

Sozialer Rückzug
Sämtliche Verantwortungen und pflichten der Betroffenen werden übernommen.


Kapitulation

Jetzt werden Anstrengungen unternommen, der Problematik zu entrinnen.

  • Anerkennung, dass man das süchtige Verhalten nicht direkt ändern kann.
  • Erkenntnis des eigenen Fehlverhaltens und unerfüllter Bedürfnisse – ernsthafte Trennungsabsichten, die evtl. in die Tat umgesetzt werden.
  • Lernen -loszulassen- und erkennen, dass man gegenüber der Alkoholkrankheit der Partnerin / Angehörigen machtlos ist. (Quelle: Mediscope AG)

Kinder in Co-Abhängigkeit
-Das Kind bemerkt doch nichts!- Dies Auslegung vieler Eltern und Erziehungsberechtigter ist ein fataler Irrglaube. Kinder bekommen mehr mit als man denkt, aber sie können ihre ßngste und Nöte nicht so zum Ausdruck bringen wie Erwachsene.

Kinder sind auf Liebe und Versorgung angewiesen, bis sie selbst stark genug sind. Leider werden gerade in Familien mit Alkoholproblemen Zuwendungen an Bedingungen geknüpft. Das Kind versucht diese Bedingungen zu erfüllen, damit es Liebe und Zuneigung erhält. Auf diese Weise lernt das Kind, sich co-abhängig zu verhalten.

Kinder aus Familien mit Alkoholproblemen entwickeln ßberlebensstrategien für sich, bei denen sie i.d.R. ihre eigene Kindheit verlieren. Sie übernehmen unbewusst Rollen um das Familienleben wieder in Balance zu bringen.

Das Heldenkin
Das Heldenkind übernimmt Aufgaben der Erwachsenen (z.B. Haushaltsarbeiten). Es ist leistungsorientiert, überverantwortlich, es braucht Zustimmung und Anerkennung von anderen.

Mögliche Folgen im Erwachsenenleben: Workaholic, kann Fehler oder Mißerfolg nicht ertragen, zwanghaftes Verhalten, kann nicht -nein- sagen, sucht später suchtmittelabhängige Partnerin. ßbertriebene Verantwortlichkeit, extreme Zuverlässigkeit auch wenn diese nicht angebracht ist.

Der Sündenbock
Der Sündenbock fällt negativ auf, beispielsweise durch schlechte Schulleistungen, Aufsässigkeit oder Straftaten. Dieses Kind lenkt die Familie von den eigentlichen Problemen ab. Das Fehlverhalten ist aber nichts anderes als ein Hilfeschrei.

Mögliche Folgen im Erwachsenenleben: Suchtkrankheit, Straffälligkeit, Teenager-Schwangerschaft sowie allgemeine Lebensprobleme. Verantwortungsloses Verhalten.

Das verlorene Kind
Das verlorene Kind wird zum Einzelgänger, fühlt sich minderwertig, ist still und gehorsam. Es ist ein extrem -pflegeleichtes- Kind, das keine Probleme macht.

Mögliche Folgen im Erwachsenenleben: Keine Lebensfreude, häufig Beziehungsstörungen, kann nicht -nein- sagen und kann keine Veränderungen eingehen. Gnadenlose Selbstverurteilung.

Das Maskottchen
Das Maskottchen überspielt die Spannungen in der Familie durch fröhliches Herumkaspern. Es tut alles, um Lachen oder Aufmerksamkeit hervorzurufen, vielfach auch nur, um von den eigentlichen Problemen abzulenken. Wirkliche Gefühle kann es nicht zeigen, diese werden unterdrückt.

Mögliche Folgen im Erwachsenenleben: Kann Stress nicht ertragen, lebt eng an der Grenze zum Hysterischen. Sucht sich als Partnerin -Beschützerinpersönlichkeit-. Ständig auf der Suche nach Anerkennung und Bestätigung.

Wege aus der Co-Abhängigkeit
Es gibt kein allgemeingültiges Verfahren. Viele Co-Abhängige finden in Selbsthilfegruppen, bei Kuren in psychosomatischen Kliniken oder im Rahmen ambulanter Therapien bessere Möglichkeiten mit sich selbst umzugehen. So arbeitet z.B. die Norwood-Gruppe Berlin-Steglitz nach den 12-Schritten der Anonymen Co-Abhängigen.

Einige Co-Abhängige können nach der Gruppe, der Kur, der Therapie später ein selbstbestimmtes und erfülltes Leben führen. Dafür bedarf es meist Jahre der Auseinandersetzung mit sich und dem eigenen Verhalten. Für einige bleibt dies ein lebenslanger Prozess. Ohne Hilfe sehen nicht wenige Co-Abhängige im Suizid eine Lösung (Quelle: Wikipedia).

Sicher ist nur dies: Das Problem wird sich nicht von allein lösen.

Literatur

Aßfalg, Reinhold: Die heimliche Unterstützung der Sucht: Co-Abhängigkeit.

Beattie, Melody: Mut zur Unabhängigkeit. Wege zur Selbstfindung und inneren

Heilung – Das zwölf Schritte Programm

Beattie, Melody: Die Sucht gebraucht zu werden

Rennert, Monika: Co-Abhängigkeit. Was Sucht für die Familie bedeutet

Wilson Schaef, Anne: Co-Abhängigkeit. Die Sucht hinter der Sucht

2 Kommentare

  1. Monika Mergenthaler 22. Dezember 2009 um 18:21 Uhr

    Ein weitverbreitetes Phänomen wird in knapper Form zusammengefaßt.
    Die Inhalte entbehren dennoch nicht der klaren verständlichen Darstellung.
    Danke.
    Als Literaturergänzung kann ich noch empfehlen:
    Anne Wilson Schaef: Co – Abhängigkeit
    Die Sucht hinter der Sucht

  2. Martina Pretis 24. Juli 2009 um 16:22 Uhr

    Der Blogg ist echt empfehlenswert

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Hallo, ich bin Sylvia

systemische Therapeutin, Trauma-Coach und Bloggerin. Seit über 20 Jahren arbeite ich mit Paaren, Familien und Einzelpersonen daran, negative Kindheitsprägungen und frühe Traumata zu lösen und ein Leben voller Selbstvertrauen, innerem Frieden und emotionaler Stabilität zu führen.
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