Zwei Wanderer
Wir trafen uns an einer Kreuzung im Wald.
Wir sahen einander an und verstanden uns.
„Gehen wir ein Stück des Weges miteinander“ sagtest du, und ich war froh, nicht mehr allein gehen zu müssen.
Du lehrtest mich jagen und das Wild über dem Feuer zu braten.
Du lehrtest mich eine schützende Höhle zu bauen und auf die Gezeiten des nahen Meeres zu achten.
Du erklärtest mir den Himmel und die Sterne und ich lernte nach dem Stand der Sonne die Himmelsrichtung zu bestimmen.
Ich sang dir Lieder am Feuer und erzählte dir längst vergessene Geschichten.
Wir querten viele Wälder und Dörfer. Anfangs mieden wir die Städte, denn die Menschen dort ängstigten mich. Du lehrtest mich Vertrauen und ich schenkte dir meine Seele dafür.
Eines Tages trafen wir auf eine Kreuzung im Wald. Wir sahen einander an und verstanden uns.
„Hier trennen sich unsere Wege“ sagtest du. Als mir die Trauer aus den Augen floss gabst du mir meine Seele zurück. Du schenktest mir zum Abschied eine Umarmung, einen Kuss und deinen Segen.
Ich schenkte dir einen Talisman, geformt aus dem Wasser meiner Tränen und einem Stück meines Herzens. Ich wob darin das Lied der Sonne, des Windes, des Wassers der Erde und alles Lebendigen.
Lange noch stand ich an der Kreuzung, die Hand erhoben zu einem letzten Gruß. Ich sah dich im welkenden Tageslicht deines Weges gehen. Nur einmal noch drehtest du dich zu mir um. Wir sahen einander lange an und verstanden.
Jetzt gehe ich meinen Weg wieder allein, aber dank dessen, was ich von dir lernte, muss ich nun nicht mehr hungern, nicht mehr frieren und ich fürchte mich auch nicht mehr vor den Menschen der Stadt. Auch verlaufe ich mich nicht mehr, es sei denn, dass ich es so will.
Nachts, am Feuer, unter dem sternenden Himmel, singe ich meine Lieder und fühle mich dem Leben verbunden.
Menno, du bist immer so klar in the Kopf :-)… Mal sehen, was für fremde Wege wir noch gehen
Verlaufen, verirren sind gute Wege – auf dem Weg ins Unbekannte … wahrscheinlich macht’s das Laufen unbekannter Wege auch?! LG