Wie ich Intuition in Coaching und Therapie nutze

Intuition in Coaching und Therapie: Gespiegeltes Porträt mit Schattenbild
Vor mir sitzt eine Klientin, die mir ihre Lebensgeschichte erzählt. Ich höre aufmerksam zu, doch neben den gesprochenen Worten spüre ich auch etwas anderes – eine Art inneres Wissen, das mir sagt, welche Fragen ich stellen sollte oder welche Technik jetzt am besten wäre. Das ist Intuition und sie dient mir als ein mächtiges Werkzeug in meiner Arbeit als Therapeutin und Coach.
In diesem Artikel erfährst du, wie ich meine Intuition in meiner Praxis einsetze und warum ich es wichtig finde, sie immer wieder zu hinterfragen.

Was ist Intuition?

Intuition lässt sich für mich am ehesten beschreiben, als ein inneres Gefühl oder eine Ahnung, die mich leitet, ohne dass ich den genauen Grund dafür oder einen logischen Pfad dahinter erkennen kann. Intuition basiert oft auf unbewussten Informationen und Erfahrungen, die mein Gehirn im Laufe der Zeit gesammelt hat. Anders gesagt, sie ist das Bauchgefühl, der AHA-Moment in meinen Gedanken, wenn ich eine plötzliche Erkenntnis habe oder auch eine Art unbewusste Bewegung. Ich weiß beim Autofahren intuitiv, wann ich das Gaspedal und wann ich die Bremse nutzen muss. So ist es auch in der Therapie und im Coaching. Hier nutze ich meine Intuition als eine Art inneren Kompass, der mich in die richtige Richtung lenkt. Mitunter erscheint es mir selbst wie Magie, was sie leider nicht ist. Intuition basiert auf unbewussten Prozessen, die durch meine Erfahrung und mein Fachwissen gestärkt werden.

Wann ist der Einsatz von Intuition in Coaching und Therapie sinnvoll?

Aus dem Bauch heraus würde ich diese Frage mit „IMMER“ beantworten, weil diese oben beschriebenen unbewussten Prozesse immer mitlaufen. Übrigens, in jedem Menschen, nicht nur in mir. Die Frage ist nur, ob ich meine Intuition immer wahrnehme, spüre, die kleinen Zeichen und Impulse zu deuten weiß. In der Regel, also wenn ich gleichzeitig in mir entspannt und auf mein Gegenüber fokussiert bin, nehme ich sie sehr deutlich wahr und nutze die Informationen, die sie mir liefert. Zum Beispiel in den drei folgenden Bereichen:

Im Erstgespräch

Oftmals spüre ich bereits in den ersten Minuten einer Sitzung, welche Themen oder Probleme für die Klientin relevant sein könnten. Ich ahne, was sich hinter den gesprochenen Worten verbirgt, aber vor allem, was sich hinter dem nicht ausgesprochenen verbirgt. Denn häufig wird im ersten Gespräch erst einmal abgetastet, es werden nur Bruchstücke der eigentlichen Thematik preisgegeben. Denn um sich zu öffnen, braucht es ein Minimum an Vertrauen, vielleicht nicht unbedingt in mich als Mensch, aber wenigstens in mich als „Expertin“. Da dies zu Beginn nicht vorhanden ist, werden die grundlegenden Themen höchstens angerissen, wenn überhaupt. Aber genau das Darunterliegende, Verborgene erspüre ich häufig, kann es an den Worten, Gesten, der Mimik ablesen. Diese „erste Einschätzung“ basiert auf meiner Intuition, die durch jahrelange Erfahrung und Ausbildung geschärft wurde.

In der Beziehungsgestaltung

Die Beziehung ist ein zentraler Faktor für den Erfolg einer Therapie und eines Coachings. Stimmt die „Chemie“ nicht, dann fällt es den Klient:innen schwer, sich auf mich einzulassen, Vertrauen in mein Vorgehen und mich zu entwickeln. Andersherum kann es auch mir passieren, dass ich irritiert bin, mich nicht öffnen kann, weil mich etwas blockiert, vielleicht sogar die innere Alarmanlage schrillt. Das darf ich dann für mich klären, denn tue ich es nicht, ist mir der Zugang zu meiner Intuition verschlossen. Diese brauche ich aber, um hilfreich und unterstützend sein zu können, weil meine Intuition mir dabei hilft, ein Gefühl für die Bedürfnisse und Emotionen der Klientin zu bekommen. So kann ich besser darauf eingehen und eine vertrauensvolle Atmosphäre schaffen, die für uns beide in der Zusammenarbeit wichtig ist.

Bei der Methodenauswahl

Es gibt zahlreiche Methoden und Techniken in Therapie und Coaching und da ich schon so viele Jahre in diesem Bereich tätig bin und ich bereits viele Fort- und Weiterbildungen absolviert habe, stehen mir viele davon zur Verfügung. Zu Beginn meiner Laufbahn als Therapeutin und Coach bereitete ich mich vor, in dem ich schon im Vorfeld zwei bis drei Methoden auswählte, die ich in der folgenden Sitzung anbieten wollte. Das war für mich eine Art Sicherheitsanker, auch weil das alles für mich noch neu war. Es war, hier passt das Bild vom Autofahren wieder, so als müsste ich noch jedes Mal darüber nachdenken, welches Pedal nun für die Bremse und welches für das Gas gedacht ist. So war es auch mit den Methoden und Techniken. Indem ich sie im Vorfeld auswählte, beschäftigte ich mich damit, wie sie funktionieren und wie die einzelnen Schritte darin sind. Ich kann heute also meiner Intuition in Bezug auf die Methoden vertrauen, denn sie leitet mich oft zu der Methode, die in einer bestimmten Situation am effektivsten ist.

Intuition in Coaching und Therapie: Zitat von Florence Scovel Shinn

Was hat sich für den Einsatz von Intuition im Coaching und in der Therapie bewährt?

Für mich hat sich in der Praxis bewährt, dass ich meiner Intuition vertraue, aber ich vertraue ihr nicht blind. Ich treffe intuitiv Entscheidungen, doch ich setze dies nicht blind ein. Ich frage nach, ob die Klientin meine Gedanken hören möchte und ob ich ihr mein Gefühl zur Verfügung stellen darf.  Für mich ist auch wichtig, zu betonen, dass es mein Gedanke / Gefühl ist, damit die Klientin ihre Wahrnehmung dazu überprüfen kann. Es ist wichtig, für unser Vertrauensverhältnis, dass ich keine voreiligen Schlussfolgerungen ziehe.

Der Einsatz von Intuition im Coaching und in der Therapie hat sich für mich in verschiedenen Aspekten bewährt:

  1. Rapport aufbauen: Es geht darum, dass ich in jeder Hinsicht präsent bin, aktiv zuhöre, Augenkontakt halte und empathisch auf das reagiere, was erzählt wird. Durch das Gefühl der Übereinstimmung und des Verständnisses gelingt es mir schnell eine Verbindung zur Klientin herzustellen. Dies erleichtert es ihr, sich zu öffnen und Vertrauen aufzubauen.
  2. Verstehen der emotionalen Bedürfnisse: Intuition hilft mir dabei, die emotionalen Bedürfnisse der Klientin besser zu verstehen. Oft können Gefühle und Emotionen nicht direkt ausgedrückt werden, und hier hilft mir meine Intuition, die zugrundeliegenden Bedürfnisse zu erkennen.
  3. Effektivität bei der Problemlösung: Intuition hilft mir, schnell auf den Kern des Problems zu kommen und effektive Lösungen anzubieten, die über den Verstand hinausgehen. Auf intuitive Weise zu arbeiten, führt häufig zu schnelleren Ergebnissen.
  4. Kreativität fördern: Intuition eröffnet mir neue Perspektiven und das ermutigt mich zu kreativen Lösungsansätzen. Das ermöglicht mir, die Klientin dabei zu unterstützen, neue Wege zu entdecken.
  5. Energieausgleich und Selbstpflege: Intuition hilft mir aber auch, meine eigenen Grenzen zu erkennen. Dies ermöglicht mir, mich um die meine Energie zu kümmern und einen Ausgleich zu schaffen, damit ich langfristig effektiv arbeiten kann.

Aufstehen und mit Würde strahlen

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Sylvia

Warum ich meine Intuition in Coaching und Therapie trotz all der Vorteile immer hinterfrage

Wie heißt es so schön: Da wo Licht ist, ist auch Schatten! So verhält es sich für mich auch mit der Intuition. Da ich mir ein Arbeitsfeld gewählt habe, in dem andere Menschen mit dem Bedürfnis nach Heilung und positiver Veränderung zu mir kommen, ist es für mich ein ethischer Grundsatz, meine Sorgfaltspflicht, die ich den Menschen gegenüber habe, die sich mir anvertrauen. Denn Intuition in Coaching und Therapie birgt auch einige Risiken in sich: So könnte es passieren, dass ich falsche Schlussfolgerungen ziehe, persönliche Vorurteile unbewusst Einfluss nehmen. Nicht zu vergessen, auch ich trage die Wirkungen von Traumata in mir und obwohl ich schon vieles verarbeitet habe, kann mich die Zusammenarbeit mit einer Klientin an eigene unverarbeitete Momente führen. Vertraue ich blind meiner Intuition, kommt es schnell zu einer Gegenübertragung.

Dazu kommt, und dies ist nicht nur in Bezug auf Coaching und Therapie gültig, dass es sich bei der Intuition um eine subjektive Wahrnehmung handelt – was mich intuitiv richtig erscheint, muss noch lange nicht auch tatsächlich stimmen. Deshalb halte ich es für wichtig, meine Intuition zu hinterfragen.

Intuition in Coaching und Therapie: Fotocollage im Stil eines Zeitungsfotos: Sylvia Tornau vor einem Wasserfall

Folgende kritische Aspekte berücksichtige ich im Umgang mit meiner Intuition:

  1. Subjektivität: Intuition basiert auf persönlichen Erfahrungen, Werten und Überzeugungen. Dadurch kann sie subjektiv und fehleranfällig sein. Es ist wichtig, dass ich mir der eigenen Vorurteile bewusst bin und diese kritisch reflektiere.
  2. Unzuverlässigkeit: Intuition kann nicht immer verlässlich sein und zu falschen Einschätzungen führen. Es ist mir wichtig, sie mit anderen Methoden und Techniken zu ergänzen, um ein umfassendes Bild zu erhalten.
  3. Verantwortung: Durch den Einsatz von Intuition übernehme ich eine große Verantwortung. Es ist wichtig, mir bewusst zu sein, dass Entscheidungen aufgrund von Intuition Auswirkungen auf das Leben und Wohlbefinden der Klientin haben können.
  4. Grenze zur Esoterik: Intuition hat für mich nichts mit Magie zu tun. Deshalb gleiche ich meine Intuition immer mit wissenschaftlichen Erkenntnissen und bewährten Methoden ab und verstehe sie nicht als „die“ Wahrheit.
  5. Selbstreflexion: Das Hinterfragen meiner Intuition ermöglicht mir eine kontinuierliche Selbstreflexion, die für meine persönliche und berufliche Entwicklung unerlässlich ist.

In der Praxis bedeutet das für mich:

  1. Ich vertraue meinem Bauchgefühl, aber prüfe es immer wieder.
  2. Supervision und kollegialer Austausch helfen mir, meine Intuition zu reflektieren.
  3. Kontinuierliche Weiterbildung, um meine Fachkenntnisse und damit auch meine intuitive Kompetenz zu stärken.

Inspiriert zu diesem Beitrag hat mich die Einladung zur Blogparade So nutze ich die Kraft der Intuition in meinem Business“ von Monika Probst und Ingrid Dankwart. Danke euch beiden für diese Idee, deren Umsetzung mich zum Nachspüren gebracht und mir viel Spaß gemacht hat.

Wenn du mehr zum Thema Intuition lesen möchtest, habe ich hier noch drei weitere Artikel für dich, die zu lesen mir Freude bereitet haben:

  1. Im Beitrag von Anita Griebl „Meine Intuition – Was für ein Glück!“erfährst du, wie du deine Intuition schulen und nutzen kannst.
  2. Nicole Führung gibt in ihrem Beitrag „Intuition bei Hochsensiblen Persönlichkeiten: Die leise Superkraft“ hochsensiblen Menschen Tipps, wie sie ihre Intuition stärken und optimal einsetzen können.
  3. Aus einer ganz anderen Ecke kommt der Beitrag von Beatrice Krammer. In „Ich bin eine intuitive Strategin“ erklärt sie, warum sie keine Ziele plant, sondern nur ihre Urlaube. Mich hat dieser Artikel sehr bestärkt.

5 Kommentare

  1. Sylvia Tornau 5. Oktober 2023 um 17:35 Uhr

    Herzlichen Dank, Birgit, für deine Rückmeldung. Ja, es braucht Mut, Selbstvertrauen und Selbstverständnis, aber der Lohn dafür ist im Einklang mit sich selbst zu leben. Da erscheint im Nachgang, der zu Beginn benötigte Mut nur noch wie ein kleiner Hopser. 🙂

  2. Sylvia Tornau 5. Oktober 2023 um 17:32 Uhr

    Liebe Esther, herzlichen Dank für deinen Kommentar. Das ist für mich eine große Motivation weiterzumachen.

  3. Birgit Buchmayer 3. Oktober 2023 um 08:29 Uhr

    Liebe Sylvia,
    vielen Dank für diesen Beitrag. Es ist so wichtig auf die Intuition zu hören, das eigene Bauchgefühl wahrzunehmen und gleichzeitig zu hinterfragen. Eben eine Balance von Beidem. Ich erlebe oft Menschen, die sehr verkopft sind und ihrer eigenen Intuition nicht vertrauen oder sich nicht trauen das zu tun. Es braucht etwas Mut, Selbstvertrauen und Selbstverständnis die eigene Intuition anzuwenden.
    Lieben Gruß, Birgit

  4. Esther 2. Oktober 2023 um 17:27 Uhr

    Liebe Sylvia, einmal mehr ein toller Blogbeitrag. Dir ist es gelungen, das Thema Intuition zu entmystifizieren, die grosse Chance darin herauszustreichen und trotzdem die Gefahren im Umgang mit Intuition nicht zu verschweigen.

    Deine grosse Erfahrung ist spürbar und deine Fähigkeit gründlich zu reflektieren strahlt mir durch den ganzen Beitrag entgegen. Das wirkt auf mich vertrauensfördernd und sehr kompetent.

    Ich habe deinen Beitrag sehr gerne gelesen und freue mich auf mehr ?.

  5. Beatrice Krammer | Onlinemagie 27. September 2023 um 09:35 Uhr

    Liebe Sylvia,

    was wenige von mir wissen ist, dass ich auch Diplomlebensberaterin bin. Daher fand ich so schön zu lesen, wie du deine Intuition im Coaching nutzt und wie du sie hinterfragst bzw. in der Supervision reflektierst – da bin ich voll bei dir. Sie kann uns – richtig eingesetzt – so eine wertvolle Unterstützerin sein. ??

    Herzliche Grüße
    Beatrice

    PS: Vielen Dank fürs verlinken meines Beitrages. ?

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Hallo, ich bin Sylvia

systemische Therapeutin, Trauma-Coach und Bloggerin. Seit über 20 Jahren arbeite ich mit Paaren, Familien und Einzelpersonen daran, negative Kindheitsprägungen und frühe Traumata zu lösen und ein Leben voller Selbstvertrauen, innerem Frieden und emotionaler Stabilität zu führen.
Für ein erfülltes Leben in Verbundenheit.

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