Sonnensonntag
Der erste warme Wind des Jahres treibt mich raus. Sonnensonntag. Ich will weg hier, wohin ist egal. Einfach ins Auto steigen. Losfahren. Die Fensterscheiben weit auf, Sonne und Wind im Gesicht. Im Radio läuft Mozart, ich drehe laut. Auf der B2 ist wenig Verkehr, nur vereinzelt überholt mich ein Motorrad. Ortschaften fliegen an mir vorbei, Menschen in Gärten an Kaffeetafeln. Hinter einer Hecke fliegt ein rot-weiß gepunkteter Ball in den Himmel. Ich überhole Wanderer und Jogger. Lasse mich von Mozart berühren, von der Sonne, von meinen Erinnerungen.
So ähnlich saß ich schon einmal in einem Auto. Mit geöffnetem Fenster, den linken Arm abgelegt im Fensterrahmen, in der Hand eine Zigarette. Die Rechte hielt lässig das Lenkrad. Aus dem CD-Player schallten die einstürzenden Neubauten. Ich hatte mit Ende 27 endlich meinen Führerschein und genoss. „Frei“ jubelte ich, denn mit Freiheit verband ich zu diesem Zeitpunkt genau dies: Im Auto sitzen, die Scheiben herabgelassen, eine Zigarette rauchend ins Blaue zu fahren. Einfach so, einfach, weil ich es konnte. Ich fühlte mich in meinem Auto so unabhängig und erwachsen. Fuhr vorbei an zerfallenden Bauernkaten, ostgrauen Häusern, in deren Auffahrt mitunter jemand sein Auto putzte. Ein Lagerfeuer, der sich in den blauen Himmel schlängelnde Rauch eines Grills, grasende Schafe und dunkle Wälder, die den Horizont säumten.
Die Strecke, die ich heute fahre, ist die Gleiche und doch ist sie eine andere. Es gibt so viel mehr Einkaufstempel entlang der Straße, so viel mehr Kreisverkehr. Kaum noch ostgrau an den Häusern. Kein Grill sendet Rauchzeichen, Autos werden in keiner Auffahrt geputzt. Ich lasse mich mit der Musik in die Ferne treiben. Vorbei an wiederkäuenden Kühen, am Horizont die dunklen Wälder. Ich genieße, aber ich weiß: in ein paar Stunden bin ich zurück in der Stadt und reihe mich ein in die lange Schlange der Parkplatzsuchenden.
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