Von Bad Sülze nach Kölzow – Streckenlänge 9 km
Der Pilgerweg den wir heute begingen, trägt den erwartungsfrohen Namen „Tour der Steine“. Wir haben vieles gesehen, sogar einen auf Waldwegen motorcrossenden, etwas verpickelten Jüngling. Der hat vermutlich nicht oft Publikum, denn gleich mehrfach, nachdem er an uns vorbei war, ließ er seine Maschine aufjaulen. Aber was soll er auch sonst machen, wenn er schon mal an zwei Tanten vorbei düst, wo doch sonst immer nur Kühe und Pferde ihn bewundern. Was wir unterwegs nicht gesehen haben, jedenfalls nicht mehr als sonst, waren Steine.
Es ist so deprimierend. 20 km von der Ostsee (Ribnitz- Damgarten) entfernt wirken die Ortschaften leblos und arm. Die wenigen Kneipen die es gibt sind so gähnend leer und verlassen wie die gar nicht so seltenen Spielplätze.
Menschen begegnen uns nur selten, Menschen in unserem Alter und jünger fast gar nicht. Was es dafür umso häufiger gibt – obwohl uns auch von denen noch keiner leibhaftig erschienen ist – sind Finanz- und Versicherungsberater. Wen die hier beraten ist mir schleierhaft, vielleicht all die armen Ostrentner mit ihrem Grundbesitz.
Eigentlich wollten wir heute in unserer Unterkunft Schloss Kölzow als Königin Inasa und König Sylvio „einreiten“. Der Schlosspark ist eine schöne Anlage mit vielen Sitzgelegenheiten und Ententeich. Auf den Wiesen grasen Schafe und zwei Ziegen. Die Rezeption ist besetzt und für 50 € dürfen wir im Dienstbotenzimmer schlafen. Nix König und Königin.
Heute habe ich ganz stark das „ich-will-hier-weg-Bedürfnis“. Obwohl wir in richtigen Betten schlafen und uns sogar eine Badewanne zur Verfügung steht. Aber will ich die wirklich benutzen? Mit abgenutztem Plastikduschvorhang?
Irgendwie weiß ich jetzt, warum in ländlichen Regionen der Alkoholkonsum so viel höher ist, als der in der Stadt. Ich erlebe es am eigenen Körper, der allabendlich sagt „wenn ich hier nicht wegdarf, dann WILL ich jetzt sofort Alkohol“. Wehrlos gegen seine Argumente, bekommt mein Körper, wonach er so lautstark verlangt.
Fazit des Tages: (Ina) Ich habe mich heute wieder sehr entspannt und frei gefühlt. Das wurde allerdings dadurch getrübt, dass ich den langsam schleichenden Verfall sehe. Es ist egal, ob ich in einer Kneipe ein opulentes Mahl zu mir nehme, dass rettet die Wirtsleute nicht. Ich kann den Verfall nur wahrnehmen und es tut mir unendlich leid um die Region und die Menschen, aber ich stehe dem auch nur ohnmächtig gegenüber.
(Sylvia) Gäbe es nicht die trotz allem schöne Landschaft, mit ihren Weihern, den unendlichen Feldern, den Blumen und Bäumen und deren warmen Gerüchen, gäbe es nicht all die Pferde, Schafe, Kühe, die Vögel, Käfer und anderes Flatter- und Kriechgetier (außer Zecken und Mücken, die gehören verboten), ich wünschte, wir wären längst in Kühlungsborn, auch wenn dies bedeutete, dass mein Urlaub bald vorbei wäre.
Nachtrag: Auf dem Rückweg von der Kneipe zum Schloss haben wir sechs Jugendliche getroffen, aber vielleicht waren es auch nur drei und wir haben schon doppelt gesehen :-)…
Ich spüre die Tristesse der Gegend bis in mein Wohnzimmer. Traurigschöne treffende Beschreibung.
Ihr verpaßt hier nichts…Regen fast den ganzen Tag.
🙂
Beste Grüße J.