Alles ändert sich in der Ideenkammer

Rezension zu Nikola Huppertz "Die unglaubliche Geschichte von Wenzel, dem Räuber Kaminsik, Strupp und dem Suseldrusel"

Die unglaubliche Geschichte von Wenzel, dem Räuber Kaminski, Strupp und dem Suseldrusel

von Nikola Huppertz

Gleich vorab, dieses Kinderbuch über den Jungen Wenzel hat alles, was von einem guten Kinderbuch zu erwarten ist. Spannung, hohen Unterhaltungswert, Witz, Liebe und ein sehr eigenwilliges Fantasieleben. Die Warnung der Autorin auf der ersten Seite ist sehr, sehr ernst zu nehmen:

Achtung! In diesem Buch geht es manchmal ziemlich verrückt zu. Das liegt nun mal in der Natur der Dinge, wenn ein Schriftsteller und ein Kind unter einer Decke stecken.

Die Pläne der Eltern

Mit dieser Ankündigung geht die Autorin auch gleich zur Sache und führt die beiden Hauptfiguren ein: das Kind – Wenzel Könemann und dessen Onkel, den Schriftsteller Nikolai Ruthard. Wenzels Eltern gewinnen bei einem Preisausschreiben eine Reise für zwei Personen auf die Malediven. Also wird nach einigem hin-und-her-überlegen eine, vielleicht für die Kinderbetreuung nicht ganz passende, aber in ihrer Verschrobenheit die einzig zusagende Person gefunden, eben jener Onkel Nikolai.

Wenzel ist mit den Plänen der Eltern so ganz und gar nicht einverstanden, denn eigentlich sieht er gar nicht ein, warum seine Eltern ihn nicht mitnehmen auf die große Reise. Aber so sind Eltern eben manchmal, ganz egoistisch denken sie nur an sich und einmal beschlossen heißt für Wenzel, er verbringt seine Ferien beim Schriftsteller.

Der, wie sein Papa ihm erklärt hatte, dringend nach einem Testleser für sein neues Buch suchte. Oder besser: einem Lesesklaven für sein blödes, pupiges, langweiliges Rumgeschreibsel.

Wenzels Dilemma

Von den Eltern unbemerkt, steckte Wenzel in einem richtigen Dilemma, denn Lesen war nun wirklich das allerletzte von all den Dingen, die ein Junge so tat in seinem Leben. Nicht viel besser wurde die Situation, als Wenzel bei seiner Ankunft schlagartig klar wurde, dass sein Onkel, keineswegs dringend auf einen Testleser gewartet hatte, sondern sich eher in seinem Schreiben, seinem Rückzug in seine Ideenkammer, von einem Kind gestört fühlte. Aber trotzdem,

…kaum hatte er das Haus betreten, hatte er gespürt, dass hier etwas Unerhörtes auf ihn wartete, etwas Abenteuerliches und durch und durch Außergewöhnliches… Es strömte aus dieser Ideenkammer…

Wenzels Abenteuer mit Onkel Nikolai

Kaum sind die Eltern verabschiedet, beginnt für Wenzel und Onkel Nikolai ein außergewöhnliches Abenteuer. Vor allem für Wenzel, den Lesemuffel, der sich bisher noch nie in das Eigenleben einer Geschichte hatte verwickeln lassen. Schon gar nicht in das einer gerade entstehenden Geschichte. Im Verlauf der weiteren Handlung wollen Figuren, die auf einmal lebendig geworden waren und sich als äußerst gefährlich entpuppten, wieder eingefangen und gebändigt werden. Hierbei finden Wenzel und Nikolai unerwartet Unterstützung und Freunde. Aber das muss der Leser, die Leserin lesen und selbst herausfinden.

Der Subtext

„Die unglaubliche Geschichte von Wenzel, dem Räuber Kaminski, Strupp und dem Suseldrusel“ von Nikola Huppertz zu lesen, macht einfach Freude. Es ist leicht lesbar, leicht verständlich und doch irgendwie auch chaotisch, eigentümlich und herrlich verschroben. Im Subtext beschreibt es auf fantasievolle Weise die Entstehungsgeschichte einer Geschichte. Wie fremd einem zu Beginn die selbst erfundenen Figuren sind. Wie sie immer vertrauter werden und sich genau in dem Augenblick, in dem man denkt, sie ganz und gar erfasst zu haben, selbstständig machen. Bedrohlich aufgeblasen das eigene Dasein bedrohen oder einfach abhauen.

So bleibt dem Schriftsteller – in diesem Fall Onkel Nikolai, mithilfe von Wenzel – nichts als die gefährliche Suche, um ebendiese Figuren wieder einzufangen. Dies ist aber nur die eine Seite der Gefahren beim Schreiben von Geschichten. Die andere ist, dass einem so überhaupt nichts einfallen will oder das, was einem einfällt, einfach nicht für eine gute Geschichte taugt. Eine ganz andere Gefahr besteht darin, dass man selbst in die Geschichte hineinfällt und plötzlich nicht mehr weiß, wie man den Weg wieder hinaus in die normale Welt finden soll. Ganz abgesehen davon, dass ein Schriftsteller in der Regel kaum mit einem Menschen der normalen Welt über all diese Abenteuer sprechen kann. Weil, wer diese Abenteuer nie erlebt hat, wird über so wirres Zeug nur den Kopf schütteln.

Mein Fazit

Ein wunderbares Kinderbuch, zum Vorlesen für Lesemuffel ebenso geeignet, wie zum heimlich mit der Taschenlampe unter der Bettdecke weiter schmökern. Einfach weil die Geschichte so mitreißend ist, dass man immer noch eine und noch eine Seite lesen muss. Und plötzlich sind Wenzels Eltern aus dem Urlaub zurück, sodass die Leserin bei der letzten Zeile nur bedauernd blinzeln und seufzend das Buch zuschlagen kann. Während die Gedanken langsam von der Geschichte Abschied nehmen, streichelt die Hand noch eine Weile den glatten Buchrücken.

Nikola Huppertz: Die unglaubliche Geschichte von Wenzel, dem Räuber Kaminsik, Strupp und dem Suseldrusel. Mixtvision Verlagsges., 13,90 €, 312 Seiten

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Ich bin Sylvia, systemische Therapeutin, Trauma-Coach und Bloggerin. Die menschliche Psyche und die Frage „Warum ticken wir, wie wir ticken“ treibt mich schon seit meiner Jugend an. Heute unterstütze ich Frauen dabei, alte Prägungen loszulassen, ihre Emotionen zu regulieren und im eigenen Leben zu Hause zu sein.

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