Glückwunschkarte zum WG-Geburtstag mit Beifall klatschenden Händen und Rosenstrauß

Glückwunschkarte zum WG-Geburtstag

Heute vor 5 Jahren haben wir die heilpädagogische Wohngruppe Walter in Leipzig Mockau, eine stationäre Einrichtung der freien Kinder- und Jugendhilfe eröffnet. Grund genug für eine kleine Rückschau und ein fettes Dankeschön.

Wie alles entstand

Die Idee zu dieser Wohngruppe entstand aus der Not heraus. Die AHB Berlin Leipzig gGmbH betreibt in Leipzig zwei Kurzfristeinrichtungen mit einer geplanten Verweildauer der Kinder von einem halben bis einem Jahr. In beiden WG war absehbar, dass 6 Kinder nicht wieder in die elterlichen Haushalte zurückkehren können. Für diese Kinder suchte das Jugendamt andere Einrichtungen und/oder Pflegefamilien, aber es gab in absehbarer Zeit keine freien Plätze.

Pflanzen und Blumen verschönern den Garten der WG.

Pflanzen und Blumen verschönern unseren Garten.

Da die Kinder in den Wohngruppen schon länger zusammen lebten, entstand die Idee, für sie gemeinsam eine neue WG zu eröffnen. Kontaktabbrüche gehören für unsere Kinder oft von klein auf zur Lebensrealität und diese wollten wir für sie so gering wie möglich halten. Über 2 Jahre Planung, Bau, Konzeptentwicklung, Verhandlungen mit Stadt und Land, Brandschutzgenehmigung und Personalauswahl lagen hinter uns, als am 20.06.2016 die ersten 6 Kinder einzogen. Am 2 Tage später zogen zwei weitere Kinder ein und damit war die Wohngruppe voll belegt.

Zittern bis zum letzten Tag

kindliche Handmalerei als Sinnbild für das Eröffnungschaos

Kreatives Chaos folgt seiner eigenen Logik.

In der Woche vor der Eröffnung boten wir den zukünftigen Kolleg:innen einen Teamtag an. Neben dem gegenseitigen Kennenlernen ging es darum, die Räumlichkeiten zu erkunden, die notwendigen Informationen zu Ablauf und Tagesstruktur zu vermitteln und die notwendigen Belehrungen durchzuführen – Schweigepflicht, Datenschutz, Hygiene, Brandschutz, Kinderschutz. Dieser Tag war in meinem bisherigen Berufsleben einer der schlimmsten Tage. Da saß ich in der komplett eingerichteten WG inmitten von motivierten, aufgeregten jungen Menschen, bereit für ein Abenteuer. Die gute Laune war ansteckend und gleichzeitig durfte ich mir nicht anmerken lassen, dass unsere Geschäftsführerin noch immer einen harten Kampf um die personellen und finanziellen Grundlagen führte. Wenn dies gescheitert wäre, hätte ich 5 Tage nach diesem Treffen diese wunderbaren jungen Menschen kündigen müssen. Aber unsere Geschäftsführerin lässt sich nicht unterbuttern und hat den Kampf gewonnen. Um den Kindern den Übergang in ihr neues Zuhause zu erleichtern, wechselten aus den beiden vorherigen Wohngruppen zwei Kolleg:innen mit in die neue Einrichtung. In den ersten Monaten war das vorherrschende Gefühl Chaos. Alle Beteiligten mussten einen Rhythmus miteinander finden, einander Kennenlernen.

Ein bunt gedeckter Tisch für die Kinder am Ostermorgen

Feste feiern und gestalten gehört zur Kür für die Kolleg:innen

WG Alltag

Der Alltag für die Kinder stabilisierte sich zuerst. Nebenher versuchten die Kolleg:innen den Kindern das Gefühl von Sicherheit und Vertrauen zu vermitteln. Ein Netzwerk zu Ärzt:innen, Therapeut:innen, Vormündern, Kitas und Schulen wurde aufgebaut, die Arbeit mit den Eltern kam in die Gänge. Zusammenarbeit mit den Eltern ist uns ein sehr wichtiges Anliegen. Egal wie oft die Eltern den Kontakt zu ihren Kindern suchen, sie sind immer willkommen, denn trotz aller individuellen Herausforderungen sind sie für die Kinder wichtige Bezugspersonen. Sie sind Familie. Auch in einer WG

Ideensammlung am Flipchart mit den Eltern

Beispiel für die Ideensammlung mit den Eltern

wird das Zusammenleben mit Kindern von Kita- und Schulbelangen, Therapien und Freizeitgestaltung strukturiert. Einmal im Jahr fahren alle miteinander in den Urlaub. Wir feiern Geburtstage, Schulanfang, Ostern, Kindertag und Weihnachten. Die Kolleg:innen backen und kochen für und mit den Kindern und bringen ihnen bei, was sie lernen dürfen, um später einmal selbstständig leben zu können. Die Kinder sind trotz aller Herausforderungen einfach Kinder. Sie fordern, albern, spielen, sind miteinander im Streit, verbünden sich, sind traurig und weinen, sind wütend und schreien, lernen Fahrradfahren, lernen Computern. Sie suchen die Nähe zu den Betreuer:innen, wenn sie Sorgen, Nöte und Ängste haben, aber auch wenn sie kuschelbedürftig sind, ihnen etwas ganz Wunderbares widerfahren ist und manchmal auch, wenn sie einfach nur dankbar sind. Für eine schöne Feier, ein leckeres Essen, einen Filmabend oder weil sie sich zuhause fühlen und das Mitteilen wollen.

Postkarte mit Tänzerinnen

Auch wenn die Arbeit nicht immer leicht fällt, ab und an eine Party unter Kolleg:innen muss sein

Ein Dankeschön zum Geburtstag

Und weil das alles so ist wie es ist, wir großartige Kinder in ihrer Entwicklung begleiten dürfen, die Arbeit meistens schön, immer wichtig ist und wir nur selten öffentlich wahrgenommen werden, möchte ich diesen 5. Geburtstag dafür nutzen, meinem großartigen Team einmal öffentlich Danke zu sagen. Was Ihr jeden Tag leistet, wie Ihr Euch für die Kinder einsetzt, für sie da seid, oft weit über das in einem Arbeitsvertrag Beschreibbare hinaus – es ist so unfassbar wertvoll, für die Kinder, für die Eltern, für die Gesellschaft. Allein die letzten anderthalb Jahre haben Euch vor Herausforderungen gestellt, bei denen andere hingeworfen haben. Plötzlich ward Ihr nicht mehr »nur« Betreuer:innen, Organisator:innen, Gärtner:innen, Hauswirtschafter:innen, Ausbilder:innen, Konfliktschlichter:innen, sondern Ihr ward auch noch Animateur:innen, Lehrer:innen, Spielausdenker:innen und und und.
Andere Teams sind in dieser Zeit auseinandergebrochen, Ihr seid zusammengewachsen. Steht für den Träger, die WG, die Kinder und füreinander ein. Kurz gesagt: Ihr seid unglaublich großartig. Ich liebe es, als Leiterin mit Euch zu arbeiten, die Konzeption dem sich wandelnden Alter der Kinder mit Euch anzupassen und das dann auch umzusetzen. Ich liebe es, weil ich weiß, für wen ich das mache – für die Kinder und für Euch – manchmal vor und manchmal hinter Euch die Steine aus dem Weg zu räumen. Ihr seid so unfassbar professionell, sucht und findet für jede Widrigkeit und jedes Problem eine Lösung und habt trotzdem oft gute Laune und die Freude am Tun und Dasein ist Euch fast immer anzumerken – einen schlechten Tag hat jede:r mal, aber Ihr lasst es nicht an den Kindern und Kolleg:innen aus, allein das ist eine Leistung für sich.

In Dankbarkeit verneige ich mich vor Euch und freue mich auf die nächsten gemeinsamen Jahre.

Sylvia Tornau überreicht ihren Kolleg:innen auf diesem Weg einen Blumenstrauß.

Ein Blumenstrauß von mir für Euch und jede Blüte steht für ein Lächeln.

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