8. März: Der „Sei frech Tag“ ist der Internationale Frauentag
Heute, am 08. März, ist ein besonderer Tag. Es ist der Internationale Frauentag und es ist der „Sei frech Tag„. Eine offizielle Verbindung gibt es zwischen diesen Feiertagen nicht, aber ich finde sie ziemlich passend. Wenn wir Frauen immer brav sind, dann wird das auch nichts mit der Gleichberechtigung. Wir müssen von der Gesellschaft die Gleichberechtigung einfordern, obwohl sie uns zusteht, müssen wir dafür aufstehen, sichtbar werden, uns zeigen. Selbstbewusst und frech. In meiner Kindheit und Jugend war der Internationale Frauentag für mich eher eine Hassveranstaltung. Die eigentliche Bedeutung des 8. März verstand ich erst nach der Wende, als wir darum kämpften, dass der § 218 mit der Fristenregelung der DDR-Version erhalten bleibt. Bis heute ist es eine Illusion, dass Frauen über eine Schwangerschaft und somit über den eigenen Körper entscheiden dürfen.
Der 8. März in der DDR
Der Internationale Frauentag am 8. März wurde in der DDR groß gefeiert und spielte eine wichtige Rolle im offiziellen politischen und gesellschaftlichen Leben. Dieser Tag diente vor allem dazu, die Errungenschaften von Frauen in der sozialistischen Gesellschaft hervorzuheben und die Gleichstellung der Geschlechter zu propagieren. Der Tag wurde mit verschiedenen Veranstaltungen, wie Kundgebungen, kulturellen Programmen und Diskussionen, gefeiert. Frauen wurden für ihre Leistungen in der Arbeit, in der Gesellschaft und in der Familie geehrt. Da gab es dann auch offizielle Orden, kleine Geschenke und Blumen. Wertschätzung und Anerkennung gab es aber nur an diesem Tag. An den 364 anderen Tagen des Jahres galten die Leistungen von Frauen als Selbstverständlichkeit. Doppel- und Dreifachbelastungen waren an der Tagesordnung und für die interessiert sich bis heute niemand. Außer einigen engagierten Frauen und Männern.
Als Kind war es für mich selbstverständlich, dass ich am 8. März für Mutti das Frühstück machte. Nicht mein Vater oder meine Brüder, sondern ich, das Mädchen in der Familie. Ich kann mich an diverse Betriebsfeiern anlässlich des 8. März im Betrieb meiner Oma Ilse erinnern. Ich glaube, es waren die Buntgarnwerke. Dort gab es Reden, viel Geklatsche und vor allem viel Alkohol. Oma war herausgeputzt wie eine Diva und ich wurde ebenfalls verkleidet. Mit steigendem Alkoholpegel wurde die Belegschaft plus Gäste immer tanzwütiger und aufgeputschter. Die sonst finster dreinblickenden Kollegen der Oma lachten dröhnend, mit zunehmend geröteten Gesichtern. Die Frauen kicherten sich heiser. Auch ich als Kind wurde von rundlichen oder schlaksigen und für mich alten Männern zum Tanz aufgefordert. Weigerte ich mich, prasselten aus Oma Ilses Mund und Augen Giftblitze auf mich herab. Also fügte ich mich und ließ mich von schwitzigen Männerhänden auf die Tanzfläche führen.
Die Bedeutung des 8. März heute
Heute hat der Internationale Frauentag weltweit eine breite Bedeutung und wird in vielen Ländern als Kampftag gefeiert, um auf die Rechte der Frauen und die Notwendigkeit der Gleichstellung der Geschlechter aufmerksam zu machen. Er ist ein Tag des Aktivismus, der Reflexion und der Feier der Errungenschaften von Frauen in allen Bereichen des Lebens. Die Betonung des Tages liegt auf der fortlaufenden Notwendigkeit, für Frauenrechte zu kämpfen, Diskriminierung zu beseitigen und eine inklusive Gesellschaft zu fördern. Ein Feiertag ist dieser Tag in Deutschland bisher nur in Berlin und in Mecklenburg-Vorpommern.
Für mich ist der 8. März noch immer der 8. März. Ein ganz normaler (Arbeits-)Tag. Ich sehe gesellschaftlich keinen Grund zum Feiern. Die Gleichstellung der Frau steht fein säuberlich auf Papier geschrieben, das scheint vielen Menschen in Deutschland zu genügen. Deshalb freut es mich sehr, dass meine Heimatstadt Leipzig langsam aufwacht. Gleich 3 Demonstrationen stehen heute auf dem Programm: „Gemeinsam gegen den Rechtsruck und sozialen Sparkurs – feministisch kämpfen jetzt“ findet in der Zeit von 12 bis 22 Uhr auf dem Augustusplatz statt. Die Demo soll gegen 16 Uhr über den Leipziger Ring gehen. 15 Uhr startet im Kolonadenviertel die Kundgebung „Für einen emanzipatorischen 8. März„. Ab 13 Uhr lädt die Frauenkultur Leipzig zum Schilder malen und gestalten, 15 Uhr zur Demo am Kreuz unter dem Titel „I CAN BUY MYSELF FLOWERS“ und ab 21 Uhr öffnet das Werk 2 die Tore für die Demo-Pop-Aftershow, mit der wunderbaren Mrs. Pepstein und mit Gasolina.
Entstehung und Geschichte des Internationalen Frauentags
Nur um es mal erwähnt zu haben: Der Internationale Frauentag hat seine Wurzeln in der Arbeiterbewegung des frühen 20. Jahrhunderts. Er wurde erstmals 1911 gefeiert, inspiriert von amerikanischen Frauenbewegungen und sozialistischen Parteien in Europa. Natürlich nur von Parteien, die sich für die Gleichberechtigung der Geschlechter, das Wahlrecht für Frauen und bessere Arbeitsbedingungen einsetzten. Eine Schlüsselfigur in der Geschichte des Internationalen Frauentags war Clara Zetkin, eine deutsche Sozialistin und Frauenrechtlerin. Sie schlug 1910 auf der zweiten Internationalen sozialistischen Frauenkonferenz in Kopenhagen die Einführung eines jährlichen Frauentags vor, um die Forderungen der Frauenbewegung zu unterstützen. Ein Tag mit langer Tradition, von dessen Zielstellung wir auch nach über 100 Jahren noch weit entfernt sind. Klar, gerade in Europa und den westlichen Ländern, gab es ein paar Fortschritte. Doch wenn wir nicht aufpassen, sind die schnell wieder futsch. Auch deshalb, Frauen: Geht klug wählen!
Warum ich finde, der „Sei frech Tag“ passt zum 8. März
Logisch, der „Sei frech Tag“ ist nicht Teil der traditionellen Feiertage und besonderen Tage, die offiziell anerkannt sind. Die Idee für diesen Tag ist bestimmt aus der zunehmenden Beliebtheit thematischer Tage erwachsen. Tage, die darauf abzielen, das Bewusstsein für bestimmte Themen zu schärfen oder einfach dazu anregen, Spaß zu haben und das Leben auf eine leichtere, spielerische Art zu genießen. In einem breiteren Sinne passt für mich der „Sei frech Tag“ als Untermalung zum Internationalen Frauentag. Er könnte eine Erinnerung daran sein, wie wichtig es ist, sich selbst treu zu bleiben und gelegentlich gegen den Strom zu schwimmen, um Authentizität und persönliches Glück zu fördern, vor allem das der Frauen, die sich aufgrund ihrer Erziehung nicht trauen.
Zu lange wurden Mädchen – und nicht wenige Mädchen auf der Welt und in unserer Nachbarschaft werden es noch immer – dazu erzogen, brav zu sein. Am Ende sind es dann die erwachsenen Frauen, erst wieder lernen müssen, für die eigenen Bedürfnisse einzustehen, Grenzen zu setzen. Sie lernen mutig, selbstbewusst, respektlos (gegenüber Meinungen und Menschen, die sich selbst respektlos verhalten) oder unkonventionell zu sein, so wie es jeder einzelnen entspricht. Frech zu sein bedeutet, selbstbewusst zu sein, die eigene Meinung offen zu äußern oder Dinge zu tun, die andere vielleicht nicht wagen, selbst wenn dies die Konventionen herausfordert. Freches Verhalten meint auch einen scharfsinnigen Humor oder schlagfertige Antworten und das Hinterfragen von Normen, das Ausbrechen aus stereotypen Verhaltensmustern. Kein Wunder, dass mir als Erstes das Sprichwort „den Mund mit Seife auswaschen“ dazu einfiel.
Liebe Wilhelmine, wow, was für ein Kommentar. Herzlichen Dank für deine Gedanken, die Erweiterungen der Slogans und dass du über deine Erfahrungen mit meinem Coaching schreibst. Die Erfahrung mit deiner Großmutter zeigt sehr deutlich, welchen familiären und gesellschaftlichen Dogmen viele Frauen ausgesetzt waren und dies aus Sicherheitsgründen und „weil es so ist“ an die nächste und übernächste Generation weitergegeben haben. Wie schön, dass wir uns davon frei machen können. Fühl dich herzlich umarmt. Sylvia
Liebe Sylvia,
herzlichen Dank für deinen Blogeintrag anlässlich des internationalen Frauentags. Es ist auch sehr spannend für mich nochmal zu lesen welchen Ursprung er hat, wo die Wurzeln liegen. „Sei frech, sei wild, sei wunderbar“. Ich würde dem gern noch hinzufügen sei weiblich.
„Sei frech, sei wild, sei wunderbar, sei weiblich“. Den Bambireflex/Fawn Response ablegen und frei und mutig mit glitzernd, strahlenden Augen, selbstbewusst und selbstwirksam ins volle Leben einsteigen und sich wagen ganz Frau zu sein. Dazu gehört unbedingt für mich auch die Erlaubnis immer Nein zu sagen, wenn ich es will. Ich selbst habe als Frau zwanghaft ewig Ja gesagt. Durch die traumasensible Begleitung/Coaching mit dir, habe ich die Fähigkeit in meinem Leben gelernt, mich zu trauen aus mir selbst heraus ohne schlechtes Gewissen, Angst, innere gefühlte Enge, Scham oder andere schwere, unangenehme Gefühle endlich in Ruhe und befreit NEIN sagen zu können, wenn ich NEIN sagen möchte. Im Zuge der Meetoo Bewegung kursierte der Slogan „My body my choice! Ich möchte dem auch noch hinzufügen, nicht nur“ my body my choice“ sondern auch my mind my choice. Es ist für mich nicht nur mein Körper, der ausschließlich mir gehört sondern auch was ich denke und fühle gehört mir und niemand hat das Recht mir meine eigenen Gedanken und Gefühle zu verbieten oder sie zu unterdrücken (diese Erfahrung habe ich als Frau oft gemacht). Das ist mir gestern anlässlich des Frauentages bewußt geworden. Das waren gestern meine Gedanken für mich selbst, als ich mich fragte, was es für mich bedeutet Frau zu sein und Frau sein zu dürfen und das mir zu 100% zu erlauben. Transgerativ ist mir in den letzten Wochen aufgefallen und bewusst geworden , dass sich durch meine eigene Ahnenreihe bezüglich der Frauen, keine Gefrierbox in dem Sinne zieht aber eine gewisse konsequente Gefühlsabwehr, Verleugnung und Unterdrückung von Gefühlen und der Weiblichkeit. Eine gewisse Härte und emotionale Gewalt. Ich bin glücklich und stolz das für mich erkannt zu haben und dieses systemisch nicht weiter zu wiederholen. Ich habe vor einigen Jahren als meine Großmutter in Leipzig noch lebte ihr von dem Satz erzählt, den Hannah Arendt in die Welt gebracht hat. „Niemand hat das Recht zu gehorchen!“ Ich war damals über die Reaktion meiner Großmutter sehr überrascht und irritiert. Sie hatte sich immens über diesen Satz aufgeregt und gesagt, man muss gehorchen vorallem als Mädchen. Man muss ein liebes, braves Mädchen sein und gehorchen und seinen Mund halten.
Das hatte mich stark beeindruckt und auch traurig und enttäuscht gestimmt. Ich bin dankbar mich von solchen familiären Dogmen und Glaubenssätzen in meinem Leben befreit zu haben. Das bedeutet für mich auch Frau zu sein. Ich selbst zu sein. Mensch zu sein. Herzenswärme, Offenheit, Nächstenliebe, Vergebung, Freiheit, weibliche Urkraft und Urvertrauen und zu lernen auf seine eigene intuitive, innere Stimme unabdingbar zu hören und den eigenen Weg zu gehen und zu finden im Leben.
Ich danke dir für deine Zeilen und Gedanken, die du gestern anlässlich des „sei frech Tages“ geteilt hast.
Ich umarme dich von Frau zu Frau.
Herzliche Grüße Wilhelmine