Unvergessliche Tiermomente – tierische Begegnungen, die mich geprägt haben
„Unvergessliche Tiermomente“ so lautet der Titel der Blogparade von Anke Cras, die dazu eingeladen hat, über Begegnungen mit Tieren zu schreiben, die mich bewegt haben. Die nicht einfach nur nett oder besonders waren, sondern mich nachhaltig beeindruckt haben.
Ich habe lange überlegt, welche meiner vielen Tierbegegnungen wirklich etwas mit mir gemacht haben. Und ich habe festgestellt: Es sind nicht die spektakulären Elch- oder Rentier-Begegnungen im Norden Norwegens und Finnlands, nicht die außergewöhnlichen, wie die Begegnung mit den Murmeltieren in der Hohen Tatra. Es sind die Begegnungen, in denen ich durch ein Tier etwas über mich gelernt habe.
Hansi, Smoke und die Spatzen, sie alle haben mich in unterschiedlichen Lebensphasen begleitet. Als Kind, als Mutter und als erwachsene Frau. Sie waren mir Spiegel, Begleiter und Trostspender. Jedes dieser Tiere hat mir auf seine Art geholfen, mich selbst besser zu verstehen. Diese unvergesslichen Tiermomente sind für mich mehr als Erinnerungen, sie sind mit meiner Lebensgeschichte verwoben.
Hansi – Der Nymphensittich, der mir zuhörte
Ich weiß nicht mehr, in welchem Jahr mir dieser Vogel geschenkt wurde. Doch ich weiß, dass ich ihn Hansi nannte, weil er mich in seiner Eigenwilligkeit an meinen Bruder Hans-Jürgen erinnerte. Der Vogel putzte sich, erschreckte mich mit seinen schrillen Tönen und interessierte sich anfangs gar nicht für mich. Stunde um Stunde saß ich vor seinem Käfig und sprach auf ihn ein. Alles erzählte ich ihm, er war mein lebendes Tagebuch und wurde für viele Jahre zu meinem Weggefährten.
Bruder Hans baute aus Holz und Fahrradspeichen einen an seine Größe angemessenen Käfig für Hansi als Rückzugsort und Schlafplatz. War er nicht im Käfig, flatterte er im Zimmer herum, hockte auf der Gardinenstange oder auf meiner Schulter. War ich traurig, pickte er an meinem Ohr oder nestelte mit seinem Schnabel in meinem Haar herum.
Hansi war ein aufmerksamer Zuhörer. Er senkte den Kopf und sah mich von der Seite skeptisch an. Er kannte meinen Tagesablauf und unterstützte mich beim Aufwachen. Häufig weckte er mich bereits vor dem Weckerklingeln, indem er mit seinem spitzen Schnabelende an meinen Fußsohlen kratzte.
Aus heutiger Sicht würde ich sagen: Hansi war mein erster tierischer Therapeut. Er hörte zu, tröstete mich, ging eine Bindung zu mir ein. Und ja, er ließ mich die Therapie teuer bezahlen: Am Tag meiner Jugendweihe bekam ich um die 1000 DDR-Mark geschenkt. Ich trug die Glückwunschkarten und das Geld in mein Zimmer und ließ beides auf dem Schreibtisch liegen. Abends fand ich an der Stelle zwei ordentlich getrennte Häufchen Papierschnipsel. Geld und Karten waren futsch. Der Abend endete in Tränen, aber dem Vogel war ich nicht gram. Ich war schließlich diejenige, die das Geld auf dem Tisch liegen ließ.
Ein unvergesslicher Tiermoment, weil er mir zeigte, dass Verbindung mehr wert ist als Besitz.
Smoke – Die Kühlschrankkatze, die mich wählte
Meine Tochter war ein extrem tierliebendes Wesen und natürlich wünschte sie sich ein Haustier. Immer nur Schnecken sammeln oder Fliegen retten war irgendwann nicht mehr befriedigend. Wir fuhren ins Tierheim, nur um erst einmal zu schauen. Ja, all die Katzenbabys waren süß und bezaubernd, aber diese eine schwarze Katze, die so still und in unseren Augen traurig in ihrem Käfig saß, sie hatte es uns angetan. Mit einem Blick des stummen Einverständnisses waren wir uns einig: Diese Katze musste mit, und zwar sofort.
Sofort bekamen wir das Tier nicht ausgehändigt. Noch heute bin ich begeistert vom professionellen Vorgehen des Tierheims. Erst wurde ein Gespräch mit uns geführt über die Herkunft der Katze – unbekannt, sie saß eines Tages vor dem Tierheim. Es wurde uns eine Liste überreicht, mit Anschaffungen und Pflegehinweisen. Eine Woche später erfolgte ein Hausbesuch bei uns, ob unsere Wohnung für das Tier geeignet sei. Ein Jahr später kam nochmals jemand, um nach dem Rechten zu sehen.
Smoke war von Anfang an schüchtern und sehr eigenwillig. Sie mochte nur Futter, das aus dem Kühlschrank kam, daher ihr Beiname „Kühlschrankkatze“. Aus irgendeinem Grund war ich ihre auserwählte Bezugsperson. Sobald ich die Wohnung betrat, war sie da. Sie maunzte, sprang auf meinen Schoß, legte sich auf meinen Bauch. Ich gebe zu, ich war mehr als einmal genervt davon. Doch jedes Mal, wenn ich daran dachte, dass sie ein verlorenes Tier war, spürte ich mich ihr verbunden.
Sie suchte Nähe. Und ich erinnerte mich noch sehr an die Zeiten, in denen ich selbst ein verlorenes Menschenkind war. Smoke wurde, ohne es zu wissen, zu meiner zweiten tierischen Therapeutin. Ihre stille Hartnäckigkeit war ein Spiegel meines eigenen Bedürfnisses nach Nähe.
Ein unvergesslicher Tiermoment, weil sie mir beibrachte, Zuneigung zuzulassen und nicht immer zu hinterfragen.
Die Spatzen – Heilsame Gefährten im Alltag
Spatzen (Haussperlinge) sind überall. Auch ihnen gegenüber empfinde ich eine sehr innige Verbundenheit. Es gibt Menschen, die Spatzen nicht besonders gern mögen, weil sie angeblich ähnlich den Tauben als schmutzige Tiere gelten und andere Vögel vertreiben. Im Mittelalter galt Spatzenfleisch als Aphrodisiakum, weil Spatzen sich in aller Öffentlichkeit paarten. Heute steht der Spatz, der sich in der Nähe des Menschen so wohlfühlt, auf der Vorwarnliste für bedrohte Arten. Die Nahrung und Nistplätze werden auch für Spatzen knapp.
Ich habe nie verstanden, wie man Spatzen nicht mögen kann. Sie sind für mich Sinnbild von Lebendigkeit und Zusammenhalt. Pärchen bleiben meist lebenslang verbunden und sterben die Eltern, kümmern sich die anderen Spatzen des Schwarms um den Nachwuchs. Spatzen beim Sand- oder Wasserbad zuzusehen, weckt in mir eine unbändige Freude.
Seit meiner Kindheit bleibe ich stehen, wenn sich mir Spatzen zeigen. Ich beobachte ihr Spiel, lausche ihrer Kommunikation und es gibt an traurigen Tagen für mich nichts Heilsameres als das Spektakel dieser Tiere. An solchen Tagen gehe ich bewusst zu meinen drei auserwählten Orten, wo ich ganz sicher Spatzen treffe. Ich setze mich auf eine Bank oder einen Stein und lasse das Treiben auf mich wirken.
Unvergessliche Tiermomente? Ja. Weil diese Vögel mir zeigen, was Anpassungsfähigkeit und Gruppenzusammenhalt bedeuten und mich daran erinnern, dass es schöne Momente im Leben gibt, auch wenn ich selbst gerade nicht weiterweiß.
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Fazit – Warum Tiere mehr sind als Begleiter
Wenn ich heute Tieren begegne, frage ich mich nicht mehr, was sie mir über mich zeigen, sondern ich frage mich, was ich für sie tun kann (Füttern im Winter, Nistplätze anlegen, Blumen für Insekten). Was sich in all den Jahren nicht verändert hat, ist meine Begeisterung und Freude, mit der ich Tieren begegne und auch mein Respekt vor ihnen.
Diese unvergesslichen Tiermomente waren Begegnungen mit mir selbst durch die Tiere. Die Tiere erinnern mich daran, dass es in unserer lauten Welt auch stille Orte gibt, an denen wir mit etwas Universellem in Verbindung treten können, jenseits von Sprache. Und manchmal reicht es, einem Spatzen zuzuschauen, um freier atmen zu können und für einen Moment zu vergessen, was mich gerade gefangen hält.
Aufstehen und in Würde strahlen!
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Liebe Anke, es hat mir viel Freude bereitet, mich an all meine Tierbegegnungen zu erinnern. Da gibt es fast täglich welche, egal ob Störche, Schwäne, Hühner oder Schweine, ich liebe es Tiere in ihrem Lebensraum zu beobachten. Für mich sind sie Meister:innen des Seins. Liebe Grüße Sylvia
Liebe Sylvia!
Vielen Dank für deinen Beitrag zu meiner Blogparade. Sehr einfühlsame Berichte über deine Tierbegegnungen. Ich bin früher auch oft zu unserem Hund in die Hütte gekrochen, wenn ich traurig oder wütend war. Faszinierend, wie Tiere teilweise durch ihre bloße Anwesenheit helfen, mit überbordenden Gefühlen umzugehen. Tiere sind auf jeden Fall eine Bereicherung im Leben, ob als Haustier oder Wildtier.
Liebe Grüße
Anke