Innere-Kind-Arbeit (nichts?) für Kopfmenschen

3 Wege für die Arbeit mit dem inneren Kind

In der modernen, erwachsenen Welt bleibt oft wenig Raum für das, was wir mit Kind-Sein verbinden: Spiel, Spaß, überbordende Emotionen, nicht selten Abhängigkeit und Anpassung. Es sind so viele Herausforderungen und spannende Dinge zu erfahren und bewältigen, warum sollten wir uns da mit dem inneren Kind beschäftigen? Was soll das überhaupt sein: Innere-Kind-Arbeit?

Was ist denn ein Kopfmensch?

Kopfmenschen sind Menschen, die von sich denken, dass sie die Herausforderungen des Lebens vor allem über den Verstand und ihre Willenskraft begegnen. Der Intuition und dem Gefühl stehen sie häufig skeptisch bis ablehnend gegenüber. Kopfmenschen beschreiben sich selbst eher als rational, an Fakten orientiert und gern als mathematisch denkend. Von außen werden sie mitunter als reserviert und kühl wahrgenommen. All das bedeutet aber nicht, dass diese Menschen keine Gefühle haben. Sie zeigen sie nur nicht so gern und geben ihnen nicht so viel Gewicht. Mit Bauchgefühl können sie in der Regel wenig anfangen.

Innere Kind Arbeit – Nichts für Kopfmenschen!?

„So ein Blödsinn! Was soll das denn sein, ein inneres Kind? Ich bin Erwachsen und Sie möchten mir einreden, dass ich ein inneres Kind in mir habe?“ „Was soll das denn mit meinen Depressionen zu tun haben?“ So oder ähnlich, hörte ich schon häufiger Ablehnung, wenn ich die Frage stellte, ob wir uns vielleicht einmal mit dem inneren Kind beschäftigen wollen. Diese Ablehnung erfolgt meist spontan und häufig sind es Menschen, die ihre Probleme mit Wissen, Überlegungen und Willenskraft zu lösen versuchen. Hier braucht es eine passendere Sprache und andere Erklärungsmodelle, wie zum Beispiel das Konzept des Inneren Teams oder die Arbeit mit inneren Anteilen. Während ein Teil der Menschen, mit denen ich arbeite, sofort etwas mit dem Begriff anfangen kann, sträubt sich bei anderen alles dagegen. Hier der Regel ist es hilfreich, Kopfmenschen über den Kopf an das Thema heranzuführen. Das Konzept also erst einmal zu erklären.

Worum geht es bei der Arbeit mit dem inneren Kind?

Den Begriff des inneren Kindes gibt es in der Therapie- und Coaching-Szene schon seit einigen Jahren, wobei er zunehmend populärer wird. Es handelt sich bei der Inneren-Kind-Arbeit um ein Modell. Die zugrundeliegende Annahme geht davon aus, dass bestimmte (überfordernde oder grenzüberschreitende) Erfahrungen in der Kindheit, Verhaltens-, Denk- und Fühlweisen und -Muster entstehen lassen, die in der Kindheit hilfreich waren, um zu überleben bzw. um mit den Situationen „klar“ zu kommen. Diese in der Kindheit hilfreichen Muster beeinflussen unsere Verhaltensweisen, unser Erleben, Denken und Fühlen auch noch im Erwachsenenalter, nur wirken sie heute oft deplatziert bis destruktiv. Es geht aber auch darum, Ressourcen zu entdecken, die du in dir trägst und die heute vielleicht brach liegen, obwohl sie dir viel Leichtigkeit ermöglichen würden.

Was ist das innere Kind?

Das innere Kind ist ein Synonym, ein Bild für das, was wir in unserer Kindheit gelernt und erfahren haben. Vor allem wiederholte Erfahrungen bilden in unserem Nervensystem Muster, manche Coaches sprechen hier auch von sogenannten Datenautobahnen: Je häufiger ich auf eine bestimmte Situation in ein und derselben Art und Weise reagiere, desto breiter wird die Spur dieses Musters und desto automatisierter reagieren wir auf Situationen, die der Ursprungssituation ähneln, mit ebendiesen Reaktionsmustern oder Verhaltensweisen.

Beispiel 1

Ich habe als Kind in der Kaufhalle ein Eis gestohlen und wurde dabei erwischt. Die Panik, die da in mir war, die Angst, meine Eltern könnten etwas davon erfahren – das hätte Beschimpfung und vermutlich auch Prügel gegeben, war offensichtlich so deutlich für die Person, die mich erwischt hatte, dass sie mich laufen ließ. Das Muster, welches in diesem Moment in mir angelegt wurde, war nicht, dass ich jetzt immer klauen kann, dafür hatte ich viel zu große Angst. Das Muster war, dass ich über Mitleid andere „manipulieren“ kann. Im Kindesalter hat mir dies die ein oder andere „Strafe“ erspart, in dem z.B. eine Lehrerin mir statt eines Eintrages ins Hausaufgabenheft, weil ich wieder einmal nicht aufgepasst hatte, die ein oder andere Zusatzaufgabe verpasste. Im erwachsenen Alter funktionierte das nicht mehr, bzw. fühlte ich instinktiv, dass es nicht die richtige, bzw. passende Reaktion von mir war. Denn wenn ich auf Mitleid im Leben angewiesen bin, dann bleibe ich klein und hilflos.

Beispiel 2

Auch unser Selbstbild prägt sich in der Kindheit und wir lernen zu glauben, was andere über uns sagen. Im positiven Falle werden wir bestärkt und lernen, aus unseren Fehlern zu lernen. Weit öfter aber übernehmen wir die negativen Aussagen, die – oft genug gehört – sich in negative Glaubenssätze wandeln. Dann braucht es die Stimme im Außen nicht mehr, die mir sagt, ich könne dies oder jenes nicht. Stehe ich vor einer Herausforderung, kommt automatisch der ausbremsende Satz „Ich bin nicht gut genug“ oder „Ich bin zu blöd dafür“. Mit den Glaubenssätzen ist es noch erklärbar – mehrfach gehört, von der Person, die den Satz sagte, abhängig gewesen, Satz verinnerlicht. Etwas diffuser wird es, wenn es sich um Emotionen handelt. Obwohl ich heute in einer Familie lebe, selbst gewählt, tauchen immer wieder Gefühle der Hilflosigkeit oder Einsamkeit auf, die mit der heutigen Situation nicht mehr übereinstimmen und dennoch stark in uns wirken.

Dein inneres Kind entdecken

Als Kind wollten wir fast alle so schnell es geht groß, unabhängig, also erwachsen werden. Als Erwachsene finden wir uns dann plötzlich auf einer Reise durchs Leben und auf der Suche. Wir wünschen uns ein sinnvolles Leben, möglichst in Wohlstand, mit Beziehungen, in denen wir uns gleichzeitig frei und verbunden fühlen. Wir sind auf der Suche nach dem Lebensglück und stehen uns dabei mitunter selbst im Weg. Nur das erkennen wir viel zu selten und wenn, wissen wir häufig nicht, wie wir das ändern können. Eine Möglichkeit, zu mehr innerer Freiheit und damit auch zu mehr Leichtigkeit und Glück zu finden, ist die Arbeit mit dem inneren Kind.

Innere-Kind-Arbeit

Deinen Mustern auf die Spur kommen

In Situationen, in denen du ein Déjà-vu hast, also das Gefühl hast, z.B. bei einem Streit mit deiner Partner:in – diese Auseinandersetzung habe ich doch schon X-Mal geführt, dann bist du nah dran an deinem Muster. Gerade die Krisen in Liebesbeziehungen zeigen sich unsere Muster deutlich, wenn sie sich, in den immer gleichen Problem-Themen in einer Partnerschaft zeigen oder noch deutlicher in aufeinander folgenden Partnerschaften mit unterschiedlichen Personen, sich die Themen wiederholen. Wie sich die Muster zeigen, kann vielfältig sein.

Ein paar Beispiele, wie sich die blockierenden inneren Kind-Muster zeigen

  • du fühlst dich häufig übergangen im Job;
  • du hast in Freundschaften das Gefühl, wenn du dich nicht kümmerst, existiert die Freundschaft nicht;
  • in Bezug auf deine Ziele tust du ganz viel und kommst trotzdem nicht an;
  • du bist umgeben von wunderbaren Menschen und fühlst dich trotzdem einsam;
  • du sehnst dich nach Beziehungen, weißt aber nicht, wie das mit dem Vertrauen funktioniert, du hast Angst dich einzulassen;
  • statt liebevoll und achtsam mit dir umzugehen, bestrafst du dich für die kleinsten Fehler, die dir unterlaufen. Du plagst dich mit Schuld- und Schamgefühlen und die Anforderungen im Außen rauben dir jegliche Energie.

Ein paar Beispiele, die dich zu offenen oder versteckten Ressourcen führen können

  • was hast du als Kind gern und mit Hingabe gemacht?
  • wie hast du gespielt? (Lieber allein? Gemeinsam mit anderen?)
  • worauf warst du neugierig?
  • über welche Witze konntest du dich als Kind ausschütten?
  • mit welchen Menschen warst du am liebsten zusammen?
  • warst du eher laut oder leise, wild, autonom oder eher ängstlich?
  • was mochtest du als Kind gern?
  • wie hast du Zuneigung gezeigt?

Zusammenfassung: Was konkret bedeutet Innere-Kind-Arbeit?

Konkret ist die Innere-Kind-Arbeit eine Methode, die eigenen blockierenden und destruktiven Muster zu erkennen und so mit ihnen zu arbeiten, dass sie dich nicht länger beeinflussen und von dem Leben abhalten, welches du führen willst. Das ist dann die Arbeit mit dem sogenannten Schattenkind. Gleichzeitig kann die Arbeit mit dem inneren Kind dir helfen, Ressourcen, die du in dir trägst, besser wahrzunehmen oder sie zu entdecken und (wieder) zu finden. Das ist dann die Arbeit mit dem Sonnenkind. Das kann Neugier sein, oder Leichtigkeit oder auch das natürliche Lernen – meint, ein Kind macht 2 Schritte, fällt hin, steht auf, macht 2 Schritte, fällt hin, steht auf, bis es eines Tages sicher laufen kann. Es bleibt dran, auch wenn der Sturz einmal weh tut.

Methode zur Selbstreflexion

Die Arbeit mit dem inneren Kind ist eine Methode zur Selbstreflexion. Durch das Erkennen dessen, was uns geprägt hat und vor allem, wie wir in bestimmten Situationen darauf reagiert haben, erschließen sich uns neue Wege der Selbsterkenntnis, der Selbstannahme und schließlich begreifen und erfahren wir, dass wir unser Leben so gestalten können, dass es der eigenen Version von Lebensglück entspricht.

Wie weiter?

Ist das Arbeit? Ja! Aber eine sehr spannende und lohnende. Und glaube mir, auch für dich als Kopfmenschen gibt es dabei, eine Menge zu entdecken und zu verstehen. Ich spreche aus Erfahrung, denn auch ich zähle mich zu den Kopfmenschen, auch wenn ich inzwischen ebenso sehr meinem Kopf, wie meiner Intuition folge.

Du willst jetzt wissen, wie du mit deinem inneren Kind arbeiten kannst? Im nächsten Artikel zeige ich dir drei Wege, wie du mit dem inneren Kind arbeiten kannst.

2 Kommentare

  1. sylvia 22. Juni 2022 um 23:44 Uhr

    Ja, wird morgen 07.30 Uhr freigeschalten. Freu mich, über dein Interesse. Dankeschön!

  2. Geraldin 22. Juni 2022 um 06:23 Uhr

    ach, der nächsten Artikel kommt ja erst … danke, für diesen!

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Hallo, ich bin Sylvia

systemische Therapeutin, Trauma-Coach und Bloggerin. Seit über 20 Jahren arbeite ich mit Paaren, Familien und Einzelpersonen daran, negative Kindheitsprägungen und frühe Traumata zu lösen und ein Leben voller Selbstvertrauen, innerem Frieden und emotionaler Stabilität zu führen.
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