100+ Dinge, für die ich dankbar bin – Impulse für Selbstfürsorge & Halt
Es gibt Tage, da scheint alles zu viel. Und doch: Wenn ich dann still werde und in mich hinein spüre, gibt es unter all der Erschöpfung immer etwas Lebendiges und Lebensfrohes. Das war nicht immer so. Manchmal braucht es eine Weile, bis ich sie entdecke, diese leisen, manchmal unscheinbaren Geschenke, die mein Leben tragen, für die ich dankbar bin. Dankbarkeit hat für mich heute nichts mehr mit rosaroter Brille zu tun. Sie ist mir eine Haltung geworden, ein inneres Wiedererkennen: Ich bin da. Ich bin verbunden. Ich bin vom Leben beschenkt.
Dieser Artikel ist mein Beitrag zur Blogparade von Birgit Buchmayer „100 Dinge, für die ich dankbar bin“. Dies ist meine ganz persönliche Liste, nicht als To-do, sondern als Einladung für dich und mich zum Nachspüren. Vielleicht erkennst du dich in manchem wieder. Vielleicht wirst du an etwas erinnert, das du schon fast vergessen hattest. Falls du noch keine eigene Dankbarkeitsliste hast, möchte ich dich mit meiner dazu anregen, deine eigene Liste zu schreiben.
Dankbarkeit, Trauma und Selbstfürsorge – eine stärkende Verbindung
Aus eigener Erfahrung und in meiner Arbeit mit traumatisierten Menschen erlebe ich oft, wie schwer es fällt, das Gute zu sehen. Nicht, weil es fehlt, sondern weil der Blick dafür durch Schmerz und Überlebensstrategien getrübt ist. Dankbarkeit wird dann schnell zur Zumutung, zur gut gemeinten Floskel. Sie zu fühlen, braucht Übung, besonders, wenn dein Blick auf Dankbarkeit (so wie mein Blick früher) geprägt ist von Vorstellungen großer Lebensleistungen, strahlender Erfolge oder gesellschaftlich gefeierter Meilensteine. Für traumatisierte Menschen bleiben häufig genau diese Erfahrungen aus. Nicht, weil wir versagt hätten, sondern weil unser Überleben allein schon eine Heldentat ist. Es braucht Zeit und Bereitschaft, zu lernen, auch das Kleine, das Unscheinbare als würdig zu betrachten – und uns selbst darin zu sehen.
Für mich beginnt genau hier Selbstfürsorge: im behutsamen Umlernen des Blicks. Im Anerkennen dessen, was da ist – nicht im Vergleich mit anderen, sondern im Licht der eigenen Geschichte. So wurde Dankbarkeit für mich zu mehr als dem Abhaken von Glücksmomenten. Dankbarkeit ist wie ein wärmendes, inneres Nicken: Ja, das war gut. Das tut mir gut. Das darf bleiben.
Auch heute gibt es noch Momente in meinem Leben, da zeigt sich die Dankbarkeit wie ein zartes Pflänzchen, das zwischen den Rissen wächst. Dort, wo ich mich sicher fühle. Dort, wo nicht die stolze Rose, sondern das unverwüstliche Gänseblümchen wächst. Immer dann, wenn ich wahrnehme, dass Berührung nicht mehr Gefahr bedeutet, sondern Verbindung. Wenn ich sehe, was ein Lächeln bewirkt. Für mich ist Selbstfürsorge deshalb untrennbar mit Dankbarkeit verbunden.
Diese Liste ist mein Ausdruck dafür, worum es im Kern meines Lebens und meiner Arbeit geht: das Leben nicht nur zu überleben, sondern wieder zu spüren, was davon sich gut anfühlt.
100+ Dinge, für die ich dankbar bin
Damit ich leichter spüren kann, was mich in welchen Lebensbereichen nährt, habe ich meine Dankbarkeitsliste in thematische Kategorien gegliedert. So entsteht Orientierung für dich und mich. Die Kategorien sind für mich wie kleine Inseln, auf denen ich innehalten und sammeln kann, was mich trägt. Ich hoffe, du findest ein paar Anregungen für deine eigene Liste.
💞 Menschen, die mein Herz berühren oder berührt haben
- Helene, meine Tochter, die ich in meinem Herzen trage und die mir das größte Geschenk machte, als ich bei der Geburt ihrer Tochter dabei sein durfte.
- Momo, die Enkelin, die mir vertraut, selbstbewusst mit mir verhandelt und sich traut auszusprechen, was für sie richtig ist, z.B. wenn sie sagt: „Oma, du bist dick, aber weich.“
- Meine Klient:innen, die mit mir ihr Innerstes erkunden und sich mir anvertrauen.
- Andreas, dessen Vertrauen in uns als Paar mir den Raum gibt zu hadern, zu entdecken und neue Beziehungswege zu finden.
- Kristina, die Vertraute, die mein Leben mit ihrer Musik schon so oft verzaubert hat.
- Gesa, die Weggefährtin im Schmerz, im Glück, im Suchen und Finden, mit der ich wunderbar „faule“ Urlaube verbringe.
- Meine Wahlfamilie, Kristinas Familie – Elgard, Franz, Laura, Hannah und Thomas, die mich lehrten, was Familie sein kann.
- Meine Freund:innen Sabine W., Cindy, Anni und Daniel, mit denen ich stundenlang reden, aber auch vertraut schweigen kann.
- Meine Kolleg:innen Grit und Oli, denen ich in Bezug auf die Arbeit blind vertraue und die mir zu Freunden geworden sind.
- Gisla, die mir von der ersten Begegnung an das Gefühl gab, selbstverständlich dazuzugehören.
- Carsten, Clemens, Bettina, Hella, Jens und Lars – meine vergangenen Lieben, die mir ihr Vertrauen schenkten und meines nährten.
- Inken, die Freundin, die mir die Schwester wurde, die ich nie hatte und die ich noch heute im Herzen trage.
- Ehemalige Freund:innen und Wegbegleiter:innen, an denen ich mich reiben, mit denen ich wachsen durfte – Heike, Grit, Norbert, Sabine und Claudia.
- Meine Therapeutin Anfang der 90er Jahre, deren Namen ich vergessen habe – sie war die Erste, die mir geglaubt und meine Geschichte nicht als Fantasie abgetan hat.
🌅 Momente, die mich still mach(t)en
- Helenes Geburt – nach all den langen Zweifeln an mir, dem Schmerz der Geburt, dem Gefühl verloren zu sein – als ich sie im Arm hielt, vergaß ich für einen Moment die Angst und es gab nur sie und mich und ihren zarten Körper auf meinem.
- Der erste Blick aufs Meer nach einer langen Autofahrt.
- Als ich zum ersten Mal mit einer Klientin gemeinsam weinen konnte, ohne das Gefühl, sie retten zu müssen
- Auf der Bank vor dem Haus sitzen und den Sonnenaufgang nach einer durchwachten Nacht mit einer Tasse Kaffee begrüßen.
- Das Aufblühen der Magnolienbäume im Frühjahr und überhaupt Blüten jeglicher Art sind für mich kleine Wunder, nur dafür da, mich zu erfreuen.
- Als jemand unter einem Blogartikel kommentierte: „Danke. Du hast mich an mich selbst erinnert.“
- Einen von der Sonne gewärmten Megalithen zu umarmen, gibt mir das Gefühl, zum Kreislauf des Lebens zu gehören.
🗺️Orte, die mir Kraft geben oder gaben
- Mein Schreibtisch zu jeder Tageszeit, mit Blumen und Kaffee.
- Meine Betthöhle – der sichere Ort in meiner Wohnung.
- Mein Lesesessel direkt am Kamin.
- In einigen Landstrichen in Norwegen, Finnland, England, Schottland und Irland fühle ich mich zu Hause, wie endlich angekommen.
- Die Feuerstelle im Garten.
- Der Leipziger Auwald.
- Die Irische Küste mit ihren Steinkreisen – in Gedanken oft mein Zufluchtsort.
- Mein Küchentisch, an dem Worte und Farben fließen dürfen.
- Die „Villa“ unser altes, treues Wohnmobil.
- Die Südvorstadt Leipzig und die Hardenbergstraße mit ihren Lindenbäumen – dort bin ich zu Hause und fühle mich verwurzelt.
- Der Affenberg auf Gibraltar, Upper Rock of Gibraltar, mit der Saint Michael’s Höhle und den frei lebenden Berberaffen.
- Das Ferienhaus in Kell am See, in dem ich viele Jahre meinen Schreiburlaub verbrachte.
- Meine Praxis, die ich mit Freundin Gesa führe.
- Der kleine Wald mit den drei Teichen in Neukieritzsch und der Hainer See – meine Rückzugsorte für Momente der Entspannung.
- Die Bibliothek in Holzhausen, in der ich mich als Jugendliche zwischen den Zeilen sicher fühlen konnte.
- Überall da, wo es Wasser gibt – egal ob Meer, See, Teich, Fluss, Bach oder Moor.
📝 Sätze, die etwas in mir bewegt haben
- „Es war nicht deine Schuld.“
- „Du bist nicht falsch – was dir angetan wurde, war falsch.“
- „Dein Körper ist nicht dein Feind.“
- „Würde ist unantastbar. Auch deine.“
- „Du bist nicht für die Mühen der Ebene gemacht. Du bist eine Krisenmanagerin.“
☕ Dinge, die mein Leben leichter machen
- Warme Socken im Winter.
- Die „Nicht-stören“-Funktion auf meinem Handy.
- Mein Thermobecher mit heißem Kaffee auf langen Autofahrten.
- Waschmaschine und Geschirrspüler.
- Gummistiefel und Regenjacke.
- Mein Laptop zum Schreiben.
- Das Lied „Steh auf, wenn du am Boden bist“ von den Toten Hosen.
- Notizbücher mit weißen Seiten und einem Fach im Buchdeckel.
- Mein Taschenrechner.
- Die S-Bahn neben der Haustür.
💪 Fähigkeiten, die ich in mir entdeckt habe
- „Nein“ sagen – ohne schlechtes Gewissen.
- Vertrauen schenken und annehmen.
- Schreibend mein Wissen klären, vertiefen und weitergeben.
- Mich durch Schreiben orientieren, sortieren, klären.
- Gefühle annehmen, ohne sie kleinzumachen.
- Annehmen, was ist und dann schauen, was noch möglich ist.
- Für jede Bewertung mindestens drei andere Bewertungen finden und dann auswählen, was für mich passt.
- Ich erlaube mir, täglich neu zu entscheiden.
- Ich nehme mir die Pausen, die ich brauche.
- Ich habe akzeptiert, dass ich die Welt nicht retten kann, aber ich entscheide, wie ich mich anderen und mir selbst gegenüber verhalte.
- Meine Haltung: „Gut zu sein, bedeutet nicht, die Beste sein zu müssen, aber jeden Tag mein Bestes zu geben, was mir an diesem Tag möglich ist.“
- Ich nehme mir den Raum, den ich brauche, und halte den Raum für andere, auch wenn es mal weh tut.
🧘 Körperliches Erleben – was mich spüren lässt, dass ich lebe
- Barfußlaufen im Tau.
- Der Moment nach dem Dehnen, wenn mein Rücken aufatmet.
- Meine Stimme, wenn sie laut werden darf.
- Das feine Zittern nach dem Schütteln, wenn sie die Haare am Körper aufstellen.
- Von einem vertrauten, geliebten Menschen umarmt werden.
- Laut und ausgiebig gähnen und dabei strecken.
- Lachyoga im Auto, wenn ich mal wieder verschlafen habe.
- Wenn warmer Sommerwind meine Haut streichelt.
- Der Duft von Lindenblüten, Pfingstrosen und Momos Kinderhaut.
🔥 Krisen, die mir etwas gezeigt haben
- Der Burn-out 2008, der mich zur Selbstfürsorge zwang.
- Die Trennung von Lars, durch die ich viele Ängste verloren habe.
- Der Tod von Inken, der mir die Angst vor dem einsamen Sterben genommen hat.
- Der Suizid von Jens, der mich lehrte, dass ich nicht für die Entscheidungen eines anderen Menschen die Verantwortung trage.
- Die Trennung von meinen Eltern, die mir ermöglichte, meinen eigenen Weg jenseits der Vergangenheit zu finden.
🌈 Magische Kleinigkeiten
- Der Duft von frisch gebackenem Kuchen.
- Regen auf dem Dach der Villa.
- Mit Lavendelduft auf dem Kopfkissen einschlafen.
- Spatzen beim „Erzählen“.
- Vögel beim Sandbaden beobachten.
- Kohlroulade essen.
- Der Duft von Ölfarbe und Terpentin.
- Momos Freude, wenn ich ein Geschenk von ihr, in meiner Schlafhöhle aufhänge.
👧 Wiederentdeckte Kindheitsfreuden
- Kastanien sammeln und sortieren.
- Im Matsch laufen.
- Reime erfinden.
- Blätterschlacht im Herbst, Schneeballschlacht im Winter.
- Mein Gesicht in die Sonne halten – einfach so.
- Mit Schere, Leim und Papier basteln.
- Steine bemalen und auf dem Fußweg verteilen.
- Mit dem Fahrrad ohne Ziel durch die Gegend fahren.
🔁 Meine Alltagsrituale
- Mein Morgenritual mit Atem, Dehnung und Kaffee.
- Das bewusste Anzünden einer Duftlampe, bevor ich beginne, zu schreiben.
- Mein abendlicher Rückblick: drei Dinge, die heute gut waren; gelungen sind; Freude gemacht haben.
- Jeden Sonntag: eine Stunde offline und draußen.
- Ein Wochenende im Monat gehört mir allein.
- Das Schreiben kleiner Liebesbotschaften an mich selbst.
- Mindestens einmal am Tag den Körper schütteln.
- Wenn nötig, mich in meinem Wutbuch „auskotzen“.
Diese Liste ist nicht zu Ende.
Und das ist gut so. Es wird Tage geben, an denen ich nichts hinzufügen kann, und Tage, an denen plötzlich zehn Dinge auftauchen, die mich berühren. Ich fühle mich nicht jeden Tag verbunden. Aber auch an diesen Tagen kann ich mich erinnern. An die Dinge, Menschen, Momente, die mein Inneres nähren – und mir zeigen: Ich bin mehr als das, was mir geschehen ist. Ich bin ein Mensch, der dankbar sein kann. Und das ist nicht klein. Das ist ein Wunder. Mich daran zu erinnern, auch dafür ist diese Liste. Sie ist eine Einladung an mich, immer wieder neu hinzuschauen. Auf das, was da ist. Auf das, was bleibt und auf das, was mich trägt.
Wenn du magst, beginn auch du deine eigene Liste. Du musst sie nicht veröffentlichen. Es genügt, dass sie dich begleitet – als Erinnerung, dass auch in deinem Leben Kostbares wohnt.
Nicht alles ist selbstverständlich. Auch nicht, dass du diesen Beitrag bis hierher gelesen hast. Und gerade deshalb: danke ❣️
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Herzliche Grüße
Liebe Birgit, das ist eine spannende Frage. Ob Dankbarkeit glücklich macht, weiß ich nicht, aber sie weitet auf jeden Fall meinen Blick für das, was mir guttut, lenkt den Fokus immer wieder dorthin zurück und diese Dinge sind es letztlich, die für mich das Leben lebenswert machen, mir das Gefühl geben, mein Leben ist (auch) schön. Und inzwischen hat sich die Waagschale dahin verändert, dass ich mein Leben als schön empfinde, mit ein paar unschönen Einsprengseln. Das war früher anders, da empfand ich Leben als unschön, belastend, ich wollte das Geschenk des Lebens nicht, einfach weil ich mich permanent vor dem Unschönen schützen musste. Der Gesamtprozess – mich im Hier und Jetzt sicher fühlen zu können; die Beruhigung der in mir wirkenden Traumamuster; zu erleben, dass ich trotz all der unschönen (sehr prosaische Umschreibung ?) Erfahrungen mein Leben gestalten kann; die Entscheidungen, die ich in meinem Leben zu meinem Selbstschutz getroffen habe; die Menschen, die ich angezogen und die mich unterstützt haben und der Fokus auf die Dankbarkeit, für das was gut und schön ist; ich glaube all das zusammen führt dazu, dass ich heute sage: Ich führe ein glückliches Leben. Herzliche Grüße zu dir.
Liebe Sylvia
Ein Gedanke oder eine Frage entsteht gerade bei mir beim Lesen deiner Liste: Ist Dankbarkeit der Schlüssel zum eigenen Glück? Macht Dankbarkeit glücklich? So empfinde ich jedenfalls genau in diesem Moment, wo ich deinen Artikel lese. Ja, ich bin dir dankbar und gleichzeitig spüre ich Verbundenheit und Glück. Ich lehne mich zurück, genieße und atme. Danke, dass ich dich kennen lernen dürfte und danke für diese sehr persönlichen Zeilen.
Herzliche Grüße, Birgit